Dramatische Inflation in China: Peking-Enten werden Luxus

Chinas Verbraucher leiden unter dramatischer Inflation. Das hat auch Folgen für die Weltwirtschaft. Denn für nun steigende Löhne zahlen auch Europäer und Amerikaner.

Fleisch und Geflügel 38 Pozent teurer als im Vorjahr: Markt in China Bild: dpa

PEKING taz Vier Dinge braucht die Kommunistische Partei Chinas: hohes Wachstum, niedrige Arbeitslosigkeit, ein niedriges Staatsdefizit und niedrige Inflation. Seit zehn Jahren hat die Partei alles, was sie braucht. Doch jetzt bricht plötzlich eine Säule ihrer Herrschaft weg. Denn die Inflation steigt dramatisch.

So wurde Fleisch und Geflügel im Oktober im Vergleich zum Vorjahresmonat um 38 Pozent teurer. Frisches Gemüse kostete 30 Prozent mehr, durchschnittlich kletterten die Lebensmittelpreise um 18 Prozent. Bis zum Sommer dachte man noch, eine Schweinepest sei der Auslöser. Allmählich aber erfasst der Trend alle Verbraucherpreise: Sie stiegen im Oktober und August um jeweils 6,5 Prozent, so schnell wie seit der Asien-Krise vor zehn Jahren nicht mehr. Premierminister Wen Jiabao erkundigte sich bereits bei Pekinger Bürgern, ob sie sich noch Fleisch leisten können. Offen ist, ob die Inflation schon andere Wirtschaftssektoren erfasst. Noch stagnieren die Preise im Nicht-Lebensmittelbereich bei durchschnittlich 1,1 Prozent, doch Stahlprodukte zogen im Oktober bereits um zehn Prozent an.

Der Inflationsdruck ist nicht nur für China gefährlich. Er führt zu höheren Löhnen, aufgrund deren die Preise für chinesische Exportprodukte steigen. Damit sind die Zeiten vorbei, in denen Billigexporte aus China in westlichen Ländern die Preise drückten. Das sorgt jetzt vor allem die Zentralbank in den USA. Sie hat zuletzt die Zinsen in den USA gesenkt, um die dortige Kreditkrise auf dem Wohnungsmarkt zu bekämpfen. Doch die höheren Preise für chinesische Produkte verursachen zusätzlichen Inflationsdruck. Das schränkt den Handlungsspielraum der Zentralbank erheblich ein.

Chinas Preissteigerungen sind zum großen Teil hausgemacht. Derzeit erwirtschaftet das Land einen Rekord-Handelsüberschuss von 27 Milliarden Dollar im Monat. Damit der Überschuss die chinesische Währung nicht hochtreibt, kauft die chinesische Zentralbank täglich eine Milliarde Dollar auf. So hält sie den Kurs des Yuans künstlich niedrig und sichert die Exportstärke Chinas. Doch damit steigert sie zugleich den Geldumlauf, zuletzt wuchs dieser um 18,5 Prozent. Doch wohin mit dem vielen neuen Geld? Chinas Volkswirtschaft bietet noch wenige Anlagemöglichkeiten. Schon ziehen auch die Preise von Eigentumswohnungen und Aktien unverhältnismäßig stark an. Zudem bietet Chinas exportausgerichtete Wirtschaft viele ihrer Produkte im Inland gar nicht an. Geringes Angebot und starke Nachfrage lassen die Preise steigen.

Aus westlicher Sicht gibt es deshalb nur einen Königsweg der Inflationsbekämpfung für China: die drastische Aufwertung des Yuan und den Ausbau des Binnenmarkts. EU-Zentralbankchef Jean-Claude Trichet will dieses Anliegen noch im November in Peking vortragen. Es beruht natürlich auf europäischen Interessen. Die EU fährt in diesem Jahr ein Rekord-Handelsdefizit mit China ein. Von Januar bis Juli betrug es 60 Billionen Euro. Da der Yuan an den Dollar gekoppelt ist und der Dollar fällt, fällt auch der Yuan zum Euro und verschärft damit das EU-Defizit mit China. Also fordert die EU von China eine Aufwertung.

Peking hat sich dem bislang aus Sorge um die engen Margen seiner Exportindustrien widersetzt. Doch vielleicht denkt man gerade um. In den Wochen seit dem KP-Parteitag im Oktober stieg der Yuan aufs Jahr gerechnet um 20 Prozent. Damit könnte Peking der Inflationsbekämpfung Priorität über der Wachstumssicherung eingeräumt haben. Denn: Vier Dinge braucht die Partei. Das eine nicht weniger als das andere. Am Ende wäre das eine gute Nachricht für Europas Exporteure.

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