Die Risiken der Staatsbanken: Rette sich, wer kann

Die halbstaatliche IKB Deutsche Industriebank wird wieder mit viel öffentlichem, weniger privatem Geld gerettet. Politiker fürchten, dass man sie als schlechte Banker überführt.

Finazminister Peer Steinbrück (SPD): Ist er ein schlechter Banker? Bild: ap

DÜSSELDORF taz Sie verbrennen Geld. Die staatlichen deutschen Banken beklagen Milliardenverluste bei privaten Spekulationsgeschäften. So war es in Berlin und in Sachsen, die BayernLB beklagt gerade ein Milliardenleck, die WestLB hatte erst vergangene Woche Hiobsbotschaften ausgesandt. Geradestehen muss meist der Steuerzahler - um Bankenpleiten abzuwenden. Nun ergibt sich bei der halbstaatlichen IKB Deutsche Industriebank AG der Bedarf zum Nachschießen von Geld. "Eine Bankenpleite kann eine Breitenwirkung entwickeln, die keiner will", sagt dazu Peer Steinbrück. Der Bundesfinanzminister ist nervös. Er befürchtet einen Dominoeffekt: Eine Pleite der privatrechtlich organisierten IKB könnte weitere Institute mit sich reißen - und so eine Bankenkrise verursachen.

Die IKB ist eine halbstaatliche Mittelstandsbank in der Krise - die jetzt gerettet werden soll. Selbst die Opposition begrüßt, dass eine weitere Finanzspritze in Milliardenhöhe in die Bank gehen soll. Die Bundestagsabgeordnete der Grünen Christine Scheel und der FDP-Abgeordnete Jürgen Koppelin sagten, die Insolvenz der Bank hätte schlimme Folgen für den Standort Deutschland - sie fürchten eine Pleitenlawine. Das neue Rettungspaket, bis gestern heiß umstritten, sieht derzeit so aus: Private Banken geben 300 Millionen Euro, der Bund und die staatliche Mutterbank KfW steuern 1,5 Milliarden Euro bei - davon sind 1,2 Milliarden Steuergeld.

Die EU will die jüngste Stützaktion allerdings genau prüfen. Sie erwartet eine Ergänzung zu den bereits zur Überprüfung angemeldeten früheren Hilfen. Bereits vergangenen Sommer waren über 6 Milliarden Euro für die IKB geflossen.

Steinbrück und die Bundesregierung haben nun dafür gesorgt, dass der Düsseldorfer Mittelstandsfinanzierer, der sich mit unsicheren Krediten für amerikanische Häuslebauer verspekuliert hat, erst mal gerettet wird. 1,2 Milliarden Euro trägt die Regierung selbst bei, die staatliche Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) muss mit ran und mit 300 Millionen auch private Banken. Bei einem Zusammenbruch der IKB hätte "ein erheblicher Vertrauensverlust für den gesamten Finanzplatz Deutschland gedroht", kommentierte Steinbrück die Rettungsaktion der Regierung. "Die Erschütterungsdynamik wäre unabsehbar."

Nun könnte allerdings auch Steinbrück selbst von dem Bankenbeben erfasst werden. Dem eigentlichen Rettungsbeschluss, der in einer Verwaltungsratssitzung der staatlichen KfW am Mittwochabend erfolgte, war ein spektakulärer Verhandlungsmarathon vorausgegangen. Eine Krisensitzung jagte die andere, mal saß Steinbrück mit Wirtschaftsminister Michael Glos (CSU) zusammen, dann wurde die Vorstandssprecherin der KfW, Ingrid Matthäus-Maier, miteinbezogen. Vieles blieb dabei im Vagen - eines aber war klar: Politiker sind keine guten Banker. Das bezieht sich auf die ehemalige finanzpolitische Sprecherin der SPD und heutige KfW-Chefin Matthäus-Maier, aber immer mehr auch auf Peer Steinbrück. FDP und Die Linke forderten in ungewohnter Eintracht die Einsetzung eines Bundestagsuntersuchungsausschusses - die Opposition will die Verantwortlichkeit der Bundesregierung aufklären.

Die Frankfurter Allgemeine meint gar, Steinbrück fürchte inzwischen um seinen Job. Denn die Düsseldorfer IKB muss nicht zum ersten Mal vor der Pleite bewahrt werden - unter der Regie von Peer Steinbrück. Die KfW spannte danach zusammen mit dem Bundesverband der Privatbanken (BdB) einen so genannten Rettungsschirm für die IKB auf. Die staatliche KfW schoss 4,3 Milliarden Euro nach, private Banken steuerten eine weitere Milliarde Euro dabei. Die IKB, eigentlich dazu da, den Mittelstand mit Geld zu versorgen und so die Konjunktur zu befeuern, droht zu einem Milliardengrab zu werden. Kein Wunder, dass der Finanzminister erst jüngst, halb flehend, halb drohend, von den Banken Auskunft über das wahre Ausmaß der Probleme verlangte. Die Banken sollten "schnell alles offenlegen, was sie an erkennbaren Risiken mitschleppen, damit der Markt nicht im 14-Tages-Rhythmus von Hiobsbotschaften weiter nervös gemacht wird".

Dabei war Steinbrück vielfach gewarnt worden. "Es darf nicht sein, dass die Banken in guten Zeiten ihre Gewinne für sich behalten und in dieser Situation ihre Verluste sozialisieren", hatte der CDU-Haushaltspolitiker Steffen Kampeter gemahnt. Fast gleichlautend war FDP-Fraktionsvizechef Carl Ludwig Thiele den Finanzminister direkt angegangen: "Herr Steinbrück sozialisiert die Verluste zulasten der Steuerzahler."

Die IKB jedoch hat den über 5 Milliarden schweren Kapitalnachschub aus dem Sommer wegen der sich immer weiter verschärfenden Krise des Hypothekenmarkts wie der drohenden Rezession in den USA längst verbrannt. Unklar bleibt sogar, ob die am Mittwochabend beschlossene erneute Stützungsaktion überhaupt ausreichen wird, um die IKB zu retten. Akut braucht die Industriebank 500 Millionen Euro, um eine Zahlungsunfähigkeit zu vermeiden, ist aus Bankenkreisen zu hören. Insgesamt wird die aktuelle Deckungslücke aber auf zwei bis Milliarden Euro geschätzt. Steinbrück könnte eine weitere Runde im Überlebenskampf der Düsseldorfer drohen.

Das Gesamtrisiko der Bank beträgt mittlerweile rund 11,5 Milliarden Euro: Innerhalb der Bilanz liegen faule Kredite von 3,35 Milliarden Euro. Und Risiken im Wert von weiteren 8,1 Milliarden Euro hat die IKB in der Zweckgesellschaft Rineland Funding gebündelt. Diese Zweckgesellschaft ist es auch, die der IKB zum Verhängnis wurde. Rhineland Funding ist ein sogenannter Conduit, mit dem die Düsseldorfer versucht haben, die außergewöhnlichen Risiken ihrer Spekulationen mit amerikanischen Schrottimmobilienkrediten außerhalb der Bilanz zu verstecken. Doch Rhineland Funding hat ein Problem: Weil die Preise auf dem US-Immobilienmarkt zusammengebrochen sind und immer mehr Kreditnehmer zahlungsunfähig werden, müssen auch immer mehr Kredite neu bewertet werden - nach unten. Die Sicherheiten der Zweckgesellschaft sind immer weniger wert, die Kreditausfälle häufen sich.

Um die IKB erneut vor der Pleite zu retten, hätten nun die Anteilseigner noch einmal Geld zuschießen müssen - vorneweg der staatliche Haupteigner KfW, aber auch die Stiftung Industrieforschung, die zwölf Prozent der Aktien hält, und die Privatbank Sal Oppenheim. Doch die Aktionäre sträubten sich. "Die Mittel der KfW sind aufgebraucht", heißt es bereits seit Tagen aus dem Umfeld der Kreditanstalt für Wiederaufbau. Bei einem weiteren Engagement sei "der eigene Förderauftrag gefährdet". Das ist so etwas wie eine Horrormeldung für das öffentliche Fördergeschäft. Denn die Staatsbank KfW, 1948 im Rahmen des Europäischen Wiederaufbauprogramms gegründete, gilt heute als Hauptinstrument der Bundesregierung zur Konjunkturförderung. Die Sanierung und Modernisierung von Wohnungen zur Energieeinsparung wird von der KfW genauso unterstützt wie die Nutzung erneuerbarer Energien, Umweltschutz- oder Entwicklungshilfeprojekte. Die Tochter KfW Mittelstandsbank unterstützt Unternehmensgründer mit günstigen Krediten. Außerdem managt die KfW im Auftrag der Regierung die Privatisierung ehemals bundeseigener Unternehmen wie Post und Telekom. Ja, sogar Studenten erhalten mittlerweile Studienkredite durch die KfW. Diese Aufgaben sah die KfW offenbar akut gefährdet. "Eine Pleite der IKB wäre für uns günstiger als eine Rettung", hieß es gegenüber der taz.

Auch die Stiftung Industrieforschung wollte kein Geld mehr in das Fass ohne Boden namens IKB stecken. "Dazu haben wir kein Geld", machte Stiftungsvorstand Wolfgang Lerch klar. Zudem lasse die Satzung der gemeinnützigen Stiftung dies nicht zu. Deshalb habe sich die Stiftung auch nicht an den Sanierungsgesprächen beteiligt.

Konstruktiv gaben sich allein die noblen Privatbanker von Sal Oppenheim, die ihren Anteil an der IKB erst nach der ersten Rettungsaktion vom vergangenen Sommer auf fünf Prozent aufgestockt hatten: "Wir sind nach wie vor der Überzeugung, dass die IKB ein gesundes Kerngeschäft besitzt", sagte der Sprecher der persönlichen haftenden Gesellschafter, Matthias Graf von Krockow - und kündigte an, bei einem Engagement der anderen Anteilseigner werde sich seine Bank nicht verweigern.

Stattdessen nutzen Teile von Union und FDP die IKB-Krise nun zu einem generellen Angriff auf die öffentlich-rechtlichen Banken wie die KfW, aber auch auf das System der Landesbanken - die bayerische Landesbank musste gerade bekannt geben, dass auch sie wegen der US-Immobilienkrise mindestens 1,9 Milliarden Euro abschreiben muss. "Es stellt sich die Frage, was ist der Sinn und die Rechtfertigung für die Beteiligung des Staates auch als Unternehmer im Bankensektor", sagt der parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag, Norbert Röttgen. Und CSU-Landesgruppenchef Peter Ramsauer verlangt: "Da gehören die Verantwortlichen gnadenlos zur Verantwortung gezogen."

Schwer werden dürften die kommenden Tage deshalb besonders für die KfW-Chefin Matthäus-Maier. Der Finanzminister jedenfalls geht bereits vorsichtig auf Distanz zu seiner Parteifreundin: "Es ist eine außergewöhnliche Situation und nicht der Zeitpunkt, um Vorwürfe zu machen", sagt Steinbrück. " Aber vielleicht drängt sich ja die Schlussfolgerung auf, das Know-how des Managements bei IKB und KfW zu stärken."

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.