Proteste gegen den G8-Gipfel: "Stoppt den Biosprit-Wahn"

In Sapporo protestieren Globalisierungsgegner gegen G8-Gipfel. Sie machen die Industriestaaten für die Getreidepreiskrise verantwortlich. G8 plant dagegen angeblich eine Notreserve an Getreide.

Doppelgänger in Sapporo. Bild: reuters

SAPPORO taz Eigentlich wollten die Globalisierungskritiker ihren Protest gegen den G-8-Gipfel mit einem Friedensmarsch beginnen. Doch die aktuellen Entwicklungen haben auch sie eingeholt. "Der hohe Ölpreis und die Ernährungskrise bedrohen die Existenz von über hundert Millionen Menschen", sagte der Globalisierungskritiker und Träger des Alternativen Nobelpreises Walden Bello zur taz. "Das kann uns nicht kalt lassen."

Und so änderte sich das Motto der Proteste. "Nein zum heuchlerischen Gipfel, der die globale Umwelt zerstört" und "Stoppt den Biosprit-Wahn" stand nun auf den vielen Transparenten und Fahnen geschrieben. Etwa 5.000 Menschen kamen am Samstag zur Auftaktdemonstration der Gipfelgegner nach Sapporo in Nordjapan, um gegen den am Montag im japanischen Toyako beginnenden G8-Gipfel protestieren. Dort treffen sich Vertreter der sieben führenden Industriestaaten zusammen mit Russland.

"Menschen in den armen Ländern müssen hungern, damit die Reichen weiter ihre Autos fahren können", kritisierte etwa Ryozo Inomata, ein japanischer Vertreter der Bauernorganisation Via Campesina, dem internationalen Netzwerk von Kleinbäuerinnen und Kleinbauern. Die Bauern waren zahlenmäßig auf der Demo am stärksten vertreten.

In seiner Rede bezeichnete Inomata den Anbau von Pflanzen für Biokraftstoff als "ein Verbrechen gegen die Menschheit". Bereits jetzt komme es in armen Ländern zu "Hungeraufständen", weil Anbauflächen nicht mehr für Reis und Weizen verwendet werden, sondern für Biosprit. Eine Aktivistin aus den Philippinen ergänzte: "Alles was die G-8-Regierungschefs anpacken, macht die Probleme nur noch schlimmer.

Erst jüngst hat eine Studie der Weltbank ergeben, dass die Nutzung von Pflanzen zur Gewinnung von Biokraftstoffen Lebensmittel 75 Prozent teurer gemacht hat. Die USA, die bereits ein Drittel ihrer Anbauflächen für Biosprit nutzt, macht diesen Kraftstoff nur für einen Preisanstieg von drei Prozent verantwortlich und gibt stattdessen der verstärkten Essensnachfrage von Indern und Chinesen die Schuld für die gestiegenen Lebensmittelpreise.

Aber nicht nur die US-Regierung steht unter Beschuss. Alexis Passadakis, der für die deutsche Sektion des globalisierungskritischen Netzwerks Attac an den Protesten in Sapporo teilnimmt, kritisierte insbesondere Äußerungen von Kanzlerin Angela Merkel. Sie hatte am Freitag dazu aufgerufen, die aktuelle Nahrungsmittelkrise durch den verstärkten Einsatz von Gentechnik einzudämmen. Als Beispiel nannte sie Sorten, die mit wenig Wasser auskämen. "Viele Experten setzen darauf, dass der Einsatz gentechnisch veränderter Pflanzen eine wichtiger werdende Rolle spielen wird", sagte Merkel.

Die Kanzlerin instrumentalisiere die Hungerkrise, um im Interesse der großen Saatgutkonzerne Gentechnik im Süden durchzusetzen, hält Attac-Aktivist Passadakis dagegen. "Deutlicher hätte die Kanzlerin nicht zeigen können, dass Entwicklungspolitik für sie nur ein Mittel ist, um die Interessen der Industrieländer und großen Konzerne durchzusetzen."

Gentechnik wird von vielen Bauernbewegungen der Entwicklungsländer abgelehnt. Monsanto und BayerCropSciences würden den Markt für gentechnisch verändertes Saatgut beherrschen. Passadakis: "Mit der Lebensmittelkrise hören sie ihre Kassen klingeln." Armin Paasch von der Menschenrechtsorganisation FIAN forderte Merkel auf, neue Akzente zu setzen. "Die G 8 darf nicht die alten Rezepte recyceln, die für die Hungerkrise verantwortlich sind."

Immerhin versprach Merkel, sich beim G-8-Gipfel für Standards bei der Produktion von Biokraftstoffen stark zu machen. Ein Verdrängungswettbewerb zwischen Lebensmittel- und Biokraftstoffanbau müsse verhindert werden, so die Kanzlerin.

Japanischen Zeitungsberichten zufolge planen die G8, Getreidereserven anzulegen, um im Bedarfsfall armen Staaten aushelfen - und vor allem die Preise niedrig halten zu können. Ein Instrument ähnlich der Ölreserven, die die Industrieländer in Absprache mit der Internationalen Energieagentur IEA vorhalten.

In Viererreihen und gut bewacht: Protestzug der Globalisierungsgegner in Sapporo. Bild: reuters

Während der mehr als zweistündigen Demonstration durch die Innenstadt von Sapporo kam es zu einem Zwischenfall: Polizisten stürmten einen Lautsprecherwagen des so genannten anarchistischen Blocks, weil Teilnehmer nach Angaben der Polizei nicht wie vorgeschrieben zu viert in einer Reihe liefen. Der Fahrer des Wagens, zwei Djs und ein Reuters-Reporter wurden festgenommen. Mindestens zwei weitere Demonstranten wurden bei der Polizeiaktion verletzt.

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