Krisengipfel der Vereinten Nationen: UN-Staaten fordern mehr Mitsprache

Das UN-Gipfeltreffen zur Finanzkrise wird von einem Nord-Süd-Streit überschattet. Die ärmeren Entwicklungsländer wollen über die UNO mehr Mitsprache bei der Krisenbewältigung.

Der Präsident der UN-Vollversammlung Miguel dEscoto Brockmann macht sich mit seinen Empfehlungen zur Krisenbewältigung im Norden keine Freunde. Bild: dpa

BERLIN taz | Auch wenn die ärmeren Entwicklungsländer von der Finanzkrise schwer in Mitleidenschaft gezogen werden, haben sie bei der Krisenbekämpfung bislang nur wenig zu sagen. Das soll sich mit dem Finanzgipfel der Vereinten Nationen ändern. Ab Mittwoch tagen in New York die Vertreter der 192 UN-Mitgliedstaaten. Ob es ihnen aber gelingt, sich als Gegengewicht zur G 20 zu etablieren, zu der sich die einflussreichen Industrie- und Schwellenländer zusammengeschlossen haben, erscheint fraglich. Denn schon in der Vorbereitungsphase war der Gipfel von Streit überschattet. Der ursprüngliche Termin Anfang Juni musste sogar verschoben werden, damit es überhaupt noch eine Chance auf Einigung gibt. Der aus Nicaragua stammende Präsident der UN-Vollversammlung, Miguel dEscoto Brockmann, hat auch schon höchstpersönlich einen Entwurf für das Abschlussdokument vorgelegt - und damit kräftigen Ärger provoziert.

Brockmanns Entwurf lehnt sich stark an ein Arbeitspapier über eine internationale Finanzreform an, das eine UN-Kommission unter Leitung von Wirtschaftsnobelpreisträger Joseph Stiglitz im März vorgelegt hatte. Das Papier enthält weitreichende Empfehlungen, die von Konjunkturpaketen insbesondere für den Süden über umfassende Reformen des Weltwährungssystems bis hin zur Einrichtung eines UN-Weltwirtschaftsrates und einer globalen Steuerbehörde reichen.

Solche Vorschläge erschienen vielen Regierungen vor allem aus dem Norden allerdings viel zu radikal. "Es hat zur Verhärtung der Fronten beigetragen, dass sich Entwicklungsländer, die bislang keine Mitsprache haben, hinter polarisierende Anführer wie den venezolanischen Präsidenten Hugo Chávez geschart haben", sagt Silke Weinlich vom Deutschen Institut für Entwicklungspolitik. Für die Industrieländer sei das schon Grund genug, jeglichen Machtzuwachs für die UN zu verhindern.

Jedenfalls akzeptierten sie den Brockmann-Entwurf nicht als Verhandlungsgrundlage und zogen einen anderen Entwurf vor, den ein aus UN-Diplomaten bestehendes Vorbereitungsteam verfasst hatte. Dieser beschränkte sich im Wesentlichen auf die Unterstützung dessen, was die G 20 auf ihrem Finanzgipfel Anfang April ohnehin schon beschlossen hatte, vor allem eine bessere Aufsicht über die Finanzmärkte und eine Aufstockung der IWF-Mittel.

Entsetzt richteten daraufhin zahlreiche Nichtregierungsorganisationen aus Nord und Süd einen gemeinsamen Appell an die Vereinten Nationen. Darin heißt es: "Wenn die Regierungen ein solches Abschlussdokument beschließen, werden sie die UN als globales Forum für wirtschaftspolitische Koordinierung und Entscheidungsfindung weiter schwächen und vollkommen damit scheitern, Antworten auf die Krise zu finden."

Immerhin besteht nun doch noch eine Chance für den Gipfel in Form eines Kompromisspapiers. Es kommt den Entwicklungsländern an ein paar Punkten entgegen: zusätzliche Finanzmittel für den Süden, eine Demokratisierung von IWF und Weltbank, Handelsschutzklauseln für die ärmeren Länder, der gemeinsame Kampf gegen Steuerflucht und eine Untersuchung, welche Alternativen zum US-Dollar als Weltwährung infrage kommen. Im Vorfeld des UN-Gipfels fordern auch Frauengruppen mehr Gleichberechtigung bei der Krisenbewältigung. Sie dringen auf die Einrichtung eines Wirtschaftskoordinationsrates unter dem Dach der UN, der die Länder des Südens sowie Frauenorganisationen und die Zivilgesellschaft voll einbezieht. Zudem sollen Frauen, die ihren Job durch die Krise verloren haben, Zugang zu Mikrofinanzprogrammen und öffentlichen Kredithilfen verschafft werden.

NICOLA LIEBERT

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