Lehrer ohne Motivation: Burn-out? Viele Lehrer brannten nie

Eine Studie über Lehramt-Studenten ergab: Die besten Studenten steigen aus, die faulsten werden Pauker. Abhilfe können nur Reformen an den Universitäten schaffen.

Pragmatiker oder Hedonisten - viele junge Lehrer halten sich für den Beruf ungeeignet. Bild: dpa

Was Professor Udo Rauin zu sagen hat, wird den deutschen Lehrern nicht gefallen. Denn ausgerechnet die Berufsgruppe, die am häufigsten in den vorzeitigen Ruhestand tritt, rückt der Forscher nun in ein völlig neues Licht. "Die über besondere Belastungen Klagenden haben vermutlich nie 'gebrannt'." Rauins Befund ist das Ergebnis einer Langzeitstudie, die 1.100 Probanden über viele Jahre untersucht hat. Dabei kam heraus: 60 Prozent der Lehrer, die sich besonders belastet fühlen, "waren schon im Studium überfordert und wenig engagiert".

Was der Frankfurter Lehrerforscher zusammen mit seinem Kollegen Andreas Gold herausgefunden hat, ist ein weiterer Baustein bei den Katastrophenmeldungen über Lehrer. Von Studie zu Studie wird die Vermutung zur Gewissheit: Die falschen Studierenden wählen den Job, die Besten steigen früh aus dem Studium aus, und von denen, die in den Klassenzimmern ankommen, sind sehr viele sehr schnell überlastet.

Rauin hat bei 1.100 untersuchten Studierenden des Lehramts bittere Wahrheiten ermittelt. Die Studienwahl für den Lehrerberufs entspricht, überspitzt formuliert, einer Auslese der Schlechtesten und Faulsten. Ein Drittel der Lehrerstudenten, die das Studium in diesem wichtigen Beruf wieder aufgeben, wählen nicht etwa aus Unfähigkeit die Exit-Strategie. Nein, sie tun es, weil sie - so Rauin - "sich von den fachlichen Anforderungen des Lehramtsstudiums unterfordert fühlen". Ein Viertel der Lehramtsstudenten empfindet das Studium ohnehin als Notlösung.

Viele von denen, die im Studium bleiben, sind dann eine sehr spezielle Klientel. Rauin formuliert es so: "Nicht nur 'geborene Erzieher' drängen ins Lehramt, sondern oft auch Pragmatiker und Hedonisten." Pragmatiker seien dabei jene, die in der Nähe des Heimatortes bleiben wollen, die auf ein überschaubares Studium hofften, die einen sicheren und familienfreundlichen Arbeitsplatz suchten. Hedonisten sind solche Lehrer, die "kein schwieriges Studium" wünschten und "ihren Hobbys weiter nachgehen wollen".

Die Folgen für die Schule und den Unterricht sind gar nicht recht einzuschätzen. Über die Hälfte der jungen Lehrer, die den Beruf auch tatsächlich aufnehmen, fühlen sich dafür nicht geeignet. Forscher Rauin versucht zu differenzieren. Viele hielten sich für ungeeignet, "weil sie in den ersten Berufsjahren mit dem, was sie bisher gelernt haben, noch nicht tatsächlich für den Beruf qualifiziert sind: Das bedeutet aber noch nicht, dass sie nun wirklich alle ungeeignet sind." Allerdings gebe es eine kritische Größe von einem Drittel der Studierenden und junger Lehrer, "die sowohl aufgrund ihrer persönlichen als auch fachlichen Voraussetzungen" kritisch zu beurteilen seien. Sein Kollege Gold sagte, es dürfe nicht weiter der Fall sein, dass die einzelnen Phasen des Lehrerstudiums gegeneinander arbeiteten. In manchem Studienseminar bekomme man gesagt: "Vergesst mal, was ihr an der Uni gehört habt!"

Nun ist das Geschrei wieder groß. Sogar der freie zusammenschluss der studierenden (fzs), der sich bislang nicht besonders um Lehrerstudenten kümmerte, ist besorgt. "Didaktische Fähigkeiten werden Lehrern meist nur in der Theorie gelehrt", sagte Imke Buß vom Vorstand des fzs, "Schulpraxis können die Studierenden nur im Praktikum schnuppern." Sie fordert, die Lehrerbildung schnell zu reformieren.

Die Professoren reagierten beinahe fatalistisch auf die Unfähigkeit der Kultusminister beim Lehrerstudium. "Von mir werden sie keine weiteren Reformvorschläge zu hören bekommen", sagte Andreas Gold. Und Udo Rauin riet dringend, "angehenden LehrerInnen schon früh, möglicherweise auch verpflichtend, Hilfestellung und Rückmeldung anzubieten". Es sei auch nötig, den Lehrerstudierenden zu helfen, "die eigenen Ressourcen besser einzuschätzen".

CHRISTIAN FÜLLER

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