Studiengebühren für Reiche: Der Privilegierten-Kampf

Sowohl in Hamburg als auch in Hessen wollen die Parteien aus dem linken Lager Studiengebühren abschaffen. Ist das wirklich links oder beginnt Chancengleichheit nicht ganz woanders?

Acht von zehn Kindern aus gebildeten Familien schaffen es zur Hochschule, bei den Arbeitern sind es knapp zwei. Bild: dpa

Österreich zum Beispiel könnte einem die Augen öffnen. Als dort vor ein paar Jahren Studiengebühren eingeführt wurden, schäumten die Studierenden auch hierzulande. Keine Hochschuldebatte, ohne dass die bösen Ösis als Unmenschen angeprangert wurden. Die Studentenzahlen fielen in den Keller, die Studienanfänger blieben der Uni fern. Die austrische Praxis schien die Theorie zu bestätigen: Studiengebühren sind ungerecht und sie schrecken vom Studium ab.

Seltsam nur, dass Gebührengegner Österreich inzwischen gar nicht mehr gern zitieren. Das Schweigen kommt nicht von ungefähr. Die Studentenzahlen in den Alpen sind auf einem Allzeithoch, kaum jemand lässt sich vom Studium abschrecken. Und das beste: Wie die Pilger wandern deutsche Medizinstudenten ins glückliche Österreich ein - trotz des Bezahlstudiums.

Aber in Deutschland gehen sie jetzt wieder auf die Straße. In Hamburg und Hessen kämpfen Studenten darum, dass die Studiengebühren abgeschafft werden. Unterstützt werden sie von der parlamentarischen Linken, von SPD, Grünen und Linkspartei, die in schöner Eintracht die Campusmaut als einen Verstoß gegen die Chancengleichheit skandalisieren. Das ist nur auf den ersten Blick eine wunderbare Fusion von außerparlamentarischer und parlamantarischer Linker. Es ist eine verkehrte Welt.

Gerecht wäre es nicht etwa, Studiengebühren abzuschaffen, sondern sie für zehn Jahre in Deutschand flächendeckend einzuführen. Nur ein kleiner Teil von etwa 35 Prozent der Jugendlichen schafft es durch die Ausleseschule überhaupt bis an die Hochschulen. Und dieser Teil zählt auch noch zu den Schönen und Reichen des Landes. Unter diesen Umständen ist es geradezu notwendig, von privilegierten Eleven einen finanziellen Beitrag fürs Studium zu verlangen. Denn Erhebungen des Deutschen Studentenwerks zeigen: Der Anteil der Arbeiterkinder an den Hochschulen ist in den letzten 25 Jahren weiter gefallen. Es kommen praktisch nur noch Kinder von Beamten, Akademikern und Selbständigen an die Unis. Acht von zehn Kindern aus gebildeten Familien schaffen es zur Hochschule, bei den Arbeitern sind es knapp zwei.

Wenn Studierende sich trotzdem als die Verlierer des Bildungssystems stilisieren, ist das kein Witz, sondern ein gesellschaftlicher Skandal. Spätere Staatssekretäre, Professoren, Journalisten, Richter und Manager schlüpfen in die Rolle der Robin Hoods des Bildungssystsems und spielen die Rächer der Entrechteten. Zur gleichen Zeit schmort ein Anteil von rund 20 Prozent Schülern in Haupt- und Sonderschulen - um die sich niemand kümmert, für die keiner demonstriert. Die haben so gut wie keine Chance auf Ausbildungsplatz, Beruf oder Teilhabe am gesellschaftlichen System.

Besonders schlimm ist die Situation da, wo jetzt eine starke Linke die Studiengebühren wegmachen will - in Hamburg und Hessen. In diesen Ländern gibt es mit die schlechtesten Hauptschulen der Republik, Schulen, die laut einer Studie des Max-Planck-Instituts (MPI) für Bildungsforschung als unrettbar verloren gelten. 70 Prozent der Hamburger Hauptschulen und über die Hälfte in Hessen sind so schlecht, dass MPI-Direktor Jürgen Baumert kaum verhüllt ihre Schließung fordert. Wegen der ungünstigen sozialen Mischung seien dort "außerordentlich schädliche Auswirkungen auf die Leistungsentwicklung von Jugendlichen" zu beobachten. Ein, wie die Forscher sagen, Marienthaleffekt setzt ein - die Schüler geben sich auf und ziehen sich gegenseitig runter. In sieben von zehn Hauptschulen der Hansestadt ist das so, und in fünf von von zehn in Hessen.

Hat jemand schon mal gehört, dass die Linkspartei die sofortige Schließung dieser Idiotenschulen gefordert hätte? I wo. Die Linkspartei sorgt sich nicht etwa um die da unten, sondern um die da oben. Ihre Maßnahme zur Herstellung von Bildungsgerechtigkeit heißt: Weg mit den Unigebühren, Gratisstudium für die Reichen! Auf Karl Marx sollte sich die Linke dabei nicht berufen. Denn der schrieb einst: Solange nur sehr wenige Studenten und Schüler Zugang zu höherer Bildung haben, ist Gebührenfreiheit ein Subventionsprogramm für das Bürgertum. Und ist also abzulehnen. Sagt Marx.

Das Bildungssystem steht Kopf. Kindergärten kosten teilweise bis zu 400 Euro pro Monat, und bereits in der Grundschule werden Schüler mit zehn Jahren einer harten Auslese unterzogen. Die Studenten ficht das nicht an. Sie fordern die Abschaffung von monatlich 83 Euro Studiengebühren und das Verbot jeglicher Auslese für Elitekurse an Hochschulen. Verkehrte Bildungswelt. Es wird Zeit, sie auf die Füße zu stellen.

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