Daten per Mausklick: Testlauf für E-Gesundheitsakte

Die Barmer Ersatzkasse bietet ihren Mitgliedern an, all ihre Gesundheitsdaten auf einen Großrechner abzulegen. Fraglich bleibt, wer Zugriff haben wird.

Die elektronische Gesundheitsakte - wie sicher sind die Daten vor dem Zugriff Dritter? Bild: dpa

Die Barmer Ersatzkasse (BEK) lockt ihre rund 7 Millionen Mitglieder mit einem neuen, "erstklassigen Service": BEK-Versicherte können "per Mausklick ihr ganz persönliches Gesundheits-Dossier führen", verheißt die hauseigene Zeitschrift. Am 14. Dezember wird die "elektronische Gesundheitsakte" (eGA) eingeführt - exklusiv für solche BEK-Mitglieder, die bereit sind, dafür extra 23,80 Euro im Jahr zu zahlen. Außerdem benötigen sie einen Computer mit Internetzugang, denn die eGA funktioniert Web-basiert.

Wer mitmacht, soll Kopien seiner gesundheitsbezogenen Daten auf einem Großrechner (Server) speichern lassen - Befunde, Diagnosen, Röntgenbilder, eingenommene Medikamente, Impfpass, Notfalldaten. Der Server wird von dem Unternehmen InterComponentWare AG (ICW) betrieben; er soll in einem "Hochsicherheitsrechenzentrum" in Frankfurt/Main stehen.

Die virtuellen Patientenakten können laufend aktualisiert werden - vom Betroffenen selbst oder durch andere Menschen, die er dafür autorisiert hat. Surfende Versicherte sollen ihre Daten manuell eintragen oder auch per E-Mail an die eGA übermitteln. Dokumente wie Laborberichte kann man an eine Service-Faxnummer schicken, von wo sie elektronisch direkt an die eGA weitergeleitet werden. Die Nutzer selbst sollen entscheiden, wer ihre passwortgeschützten Informationen online einsehen darf, beispielsweise Ärzte, Therapeuten, Apotheker, Familienangehörige, Freunde.

Angestrebt werde eine "womöglich lebenslange persönliche Datenbank". Einfach vorausgesetzt wird allerdings, dass auch die Heilberufler mitspielen und die gewünschten Daten zur Verfügung stellen. Patienten, schwärmt die Mitgliederzeitschrift der Barmer, "steuern auf Basis der eGA ihre eigene Gesundheit".

So weit die Werbung. Was hinter dem eGA-Projekt steckt, erläuterte die Wissenschaftlerin Hanna Kirchner während der Medizinmesse Medica im November: "Wir erforschen in den nächsten drei Jahren, wie Versicherte eine persönlich geführte Akte im Internet selbst nutzen - und wie diese Nutzung ihr Gesundheitsverhalten ändert."

Kirchner, Ex-Mitarbeiterin des Kölner Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG), nennt sich nun "Forschungsbeauftragte Barmer Gesundheitsakte". Sie plant drei Umfragen unter eGA-Teilnehmern und will nutzungsbezogene Daten erheben. Die "Akzeptanz" der Versicherten interessiert Birgit Fischer, stellvertretende BEK-Vorstandsvorsitzende. Außerdem will sie erfahren, ob sich die eGA "auf die Inanspruchnahme von Leistungen auswirkt".

Auf persönliche Daten einzelner Versicherter dürfen Kassenmitarbeiter nicht zugreifen, verspricht Kirchner. Dieses Tabu gelte auch für ICW, dessen Server und technisches Know-how im Barmer-Projekt genutzt werden. ICW-Hauptaktionär ist laut Firmenangaben der SAP-Mitbegründer Dietmar Hopp, finanziell beteiligt sei auch die Energie Baden-Württemberg (EnBW). Kirchner habe ICW ausgewählt, "weil deren Produkt höchsten Maßstäben an die Sicherheit und den Datenschutz genügt", sagt BEK-Vorständlerin Fischer, die schon für elektronische Patientenakten geworben hatte, als sie noch sozialdemokratische Gesundheitsministerin in Nordrhein-Westfalen war.

Höchst fragwürdig findet das Komitee für Grundrechte und Demokratie die eGA der BEK. Die Bürgerrechtsorganisation warnt bereits vor der elektronischen "Gesundheitskarte" (eGK), deren Einführung für Ende 2008 geplant ist. Nun steht auf der Komitee-Homepage ein Musterbrief mit 13 kritischen Nachfragen zur eGA, den Versicherte an die Barmer schicken können. Per Verweis auf technische Vorkehrungen wird zumindest diese Frage nicht zu beantworten sein: "Bin ich davor geschützt, dass jemand, etwa mein Arbeitgeber oder andere Versicherungen, in dem Wissen, dass ich Mitglied der BEK bin, von mir Auskünfte aus meiner eGA verlangt?"

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