Chemie-Nobelpreis geht an Zellforscher: Erkundung der Eiweißfabrik

Der Chemie-Nobelpreis geht in diesem Jahr an drei Forscher, die die Funktionsweise der Ribosomen erforscht haben. Diese kleinen Computer in der Zellfabrik lesen das Erbgut aus und stellen daraus Eiweiße her.

Bakterien-Polysom - es liest das Erbgut. Bild: Steve Jurvetson - Lizenz: CC-BY

STOCKHOLM/BERLIN dpa/taz Der Nobelpreis für Chemie geht in diesem Jahr zu gleichen Teilen an die Zellforscher Venkatraman Ramakrishnan, Thomas Steitz und Ada Yonath. Sie haben herausgefunden, wie die in den Genen gespeicherte Information in Proteine (Eiweiße) übersetzt werden – die universellen Werkzeuge des Lebens.

Der in Indien geborene US-Bürger Ramakrishnan arbeitet am Molekularbiologie-Labor des britischen Medical Research Councils in Cambridge. Sein Landsmann Steitz arbeitet als Professor für molekulare Biophysik und Biochemie an der Yale-Universität in den USA. Die Israelin Jonath ist Molekularbiologie-Professorin am Weizmann-Institut in Rehovot. Die drei Forscher haben die aus hunderttausenden Atomen aufgebaute Struktur der Ribosomen mit Hilfe von Röntgenstrahlen so weit geklärt, dass sich deren Funktion exakt beschreiben lässt ("Röntgenstruktur- Analyse"). Eine der wichtigsten Anwendungen liegt in der Medizin: Viele Antibiotika hemmen die Tätigkeit bakterieller Ribosomen, die dann keine neuen Proteine mehr herstellen können - im Idealfall stirbt der Keim dann.

Wie die Ribosomen, die kleinen Computer in den Eiweißfabriken, funktionieren, das haben die drei diesjährigen Nobelpreisträger genau erforscht. Warum aber sind Eiweiße so wichtig und wie werden sie hergestellt?

Eiweiß kommt nicht nur im Hühnerei vor – es ist ein wichtiger "Werkstoff" für alle Lebewesen. Wichtig sind sie zum Beispiel als Enzyme. Enzyme sorgen dafür, dass bestimmte Dinge schneller funktionieren. Zum Beispiel befinden sie sich im Speichel des Menschen und sorgen dafür, dass Nahrung schneller verdaut werden kann. Enzyme wirken als Katalysatoren, damit chemische Reaktionen schneller stattfinden.

Nicht nur als Reaktionshelfer kommen Eiweiße im Lebewesen vor. Haut und Haar, Zellen unterschiedlichster Gestalt – all das besteht aus Eiweißen in unterschiedlicher Struktur. Damit das Eiweiß die Struktur bekommt, die es für seine Aufgabe benötigt, braucht es jemand, der ihm sagt, wie es aussehen soll. Das ist im Erbgut niedergelegt, und die Ribosomen sind die Orte, wo das Erbgut ausgelesen wird und die Aminosäuren in der erforderlichen Reihenfolge zusammengesetzt.

Eiweiße werden aus unterschiedlichen Aminosäuren zusammengesetzt. Jede Aminosäure hat bestimmte chemische Eigenschaften. Manche sind positiv oder negativ geladen, sie können Säuregruppen oder Schwefelreste tragen. Wie Magnetpole stoßen sich manche Aminosäuren ab, manche ziehen sich an.

Bringt man zwei Aminosäuren zusammen, die beide negativ geladen sind, so stoßen sie sich ab. Andere dagegen ziehen sich an. Je nachdem, wie die Aminosäuren zusammengebracht werden, so "faltet" sich das Eiweiß. Die Faltung bestimmt die Gestalt und damit auch die Funktionsweise des Eiweißes. Die Reihenfolge ist somit wichtig dafür, wie das Eiweiß am Ende aussieht und funktioniert. Und hier kommen die Ribosomen ins Spiel: Sie sind die Computer in den Eiweißfabriken der Zellen. Ribosomen "nehmen" Aminosäuren und hängen diese in der richtigen Reihenfolge hintereinander.

Gespeichert ist die Information über die richtige Reihenfolge im Erbgut. Das Ribosom bindet sich, wenn es ein bestimmtes Eiweiß herstellen "möchte", an den Erbgutstrang, der die Information über das Eiweiß gespeichert hat, und liest ihn aus. Das Erbgut "nennt" dem Ribosom die Reihenfolge, in der die Aminosäuren zusammengefügt werden müssen.

Der Preis für Chemie ist traditionell der dritte von insgesamt fünf, mit denen der 1896 verstorbene Preisstifter Alfred Nobel wissenschaftlichen Einsatz zugunsten der Menschheit fördern wollte.

Bislang wurden die Empfänger der Nobelpreise für Medizin und Physik bekanntgegeben, die Auszeichnungen für Literatur und Frieden folgen am Donnerstag und Freitag. Jede einzelne ist mit zehn Millionen Kronen (1,09 Millionen Euro) dotiert. Die Preisverleihung erfolgt alljährlich am 10. Dezember, dem Todestag Nobels.

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