Militärforschung in Bildungseinrichtung: Karlsruher Superuni auf Kriegspfaden

Bisher galt: Forschung nur zu friedlichen Zwecken. Nun fürchten Beschäftigte und Studierende der neu entstehenden Großuniversität, dass die Zivilklausel kippt.

Der baden-württembergische Forschungsminister Peter Frankenberg würde auch gerne fürs Militär forschen lassen. Bild: dpa

BERLIN taz | In Karlsruhe entsteht derzeit so etwas wie die deutsche Superuni. Im Juni bringt die baden-württembergische Landesregierung das Gesetz auf den Weg, das die im Jahr 2006 angebahnte Fusion der Universität Karlsruhe mit dem Forschungszentrum Karlsruhe zum "KIT - Karlsruher Institut für Technologie" vollenden soll.

Nicht nur im Kürzel orientiert sich das KIT am weltberühmten MIT, dem Massachusetts Institute of Technology bei Boston. In Karlsruhe sollen die künftig 8.000 Mitarbeiter auch das Niveau des US-amerikanischen Vorbilds erreichen. Forschungshindernisse kommen da natürlich ungelegen.

Umso unglücklicher sind die Hochschulchefs und der baden-württembergische Forschungsminister Peter Frankenberg (CDU) über den Eifer, mit dem Studierende und Gewerkschaften seit Monaten für die "Zivilklausel" mobilmachen. Mit solchen Vertragsformulierungen wurden die deutschen Nuklearforschungseinrichtungen in den 1950er-Jahren an friedliche Zwecke gebunden - auch das Forschungszentrum Karlsruhe.

Die Klausel soll nun zwar für den Forschungszentrumsteil des KIT erhalten bleiben. Die Idee aber, dass sich an einer fusionierten Forschungsuni die eine Hälfte militärforschungsfrei halten lasse, "widerspricht dem Grundgedanken einer durchgängigen Verzahnung des Forschungszentrums mit der Universität", erklärt etwa die Landes-Astenkonferenz, die Studentenvertretung im Ländle.

Studierende, Uni-Senat, Ver.di und die Landtagsopposition fordern daher, die Zivilklausel auf das gesamte KIT auszuweiten. Er habe den Eindruck, die Landesregierung wolle sich "über den Gedanken des Militärforschungsverbots hinwegsetzen", sagt der SPD-Landtagsabgeordnete Johannes Stober.

Der renommierte Staatsrechtler Erhard Denninger hat in einem Gutachten erklärt, es sei mit der Forschungsfreiheit gut vereinbar, die Klausel auf das KIT zu übertragen.

Frankenberg selbst erklärte am Mittwoch in Berlin im Wissenschaftsausschuss des Bundestags, dass es die Zivilklausel seinethalben überhaupt nicht mehr geben müsse. Die Beibehaltung für den ehemaligen Forschungszentrumsteil habe er sich vom Bund diktieren lassen. Grundsätzlich sei er aber der Meinung, "in einem demokratischen Rechtsstaat mit einer demokratischen Armee sei eine Zivilklausel nicht notwendig", zitieren ihn Teilnehmer der Sitzung.

Die Wissenschaft müsse dafür sorgen, dass die Armee optimal ausgestattet sei, um die Bürger zu schützen. Frankenbergs Sprecherin in Stuttgart ergänzt: "Die Hauptfunktion des KIT ist, strategische Forschungsziele gemeinsam festzulegen". Die Institute "arbeiten weiterhin unabhängig voneinander." Ohnehin sei "der Anteil der Forschung mit militärischem Bezug selbst an der Uni sehr gering".

Bekannt ist dank einer Bundestagsanfrage der Linksfraktion, dass am Institut für Nachrichtentechnik unter Friedrich Jondral derzeit für 538.000 Euro - verteilt auf drei Jahre - an Kommunikationstechniken für die Bundeswehr gearbeitet wird.

Angesichts des Verhältnisses zwischen diesem Betrag und den über 80 Millionen Euro, die allein die Uni jährlich an Drittmitteln einwirbt, hat deren Forschungsrektor den Kampf um die Zivilklausel "öffentlichkeitswirksames Getöse" genannt.

Ver.di-Bezirksvorstand Dietrich Schulze, der 40 Jahre am Forschungszentrum gearbeitet hat, verweist dagegen darauf, wie sich im und neben dem KIT bereits eine weitere Fusion anbahnt. Jondral und weitere Professoren der Uni Karlsruhe seien längst mit den Forschungseinrichtungen der Bundeswehr etwa im nahen Ettlingen verbunden. Karlsruhe, sagt Schulze, "ist auf dem Weg zu einem zivilmilitärischen Forschungskomplex".

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