Exzellenzinitiative: "Wir haben viele Spitzenforscher"

Die Förderung von Elite-Universitäten ändert nichts an der desolaten deutschen Forschungslandschaft, sagt der Soziologe Richard Münch.

Die Uni Göttingen: Eine der Hochschulen, die gerne zur Elite gerechnet werden möchten Bild: dpa

taz: Heute wird bekannt begeben, welche Universität das Rennen um extra Fördergelder für die Forschung gewonnen hat.

Richard Münch: Das Problem an der Exzellenzinitiative ist, dass sie nichts an den lähmenden Strukturen ändert, die wir in der deutschen Forschungslandschaft haben.

Ihrer Meinung nach brauchen die deutschen Universitäten nicht mehr Geld, obwohl sie Eldorados sind für halbe Stellen und schlecht bezahlte Privatdozenturen.

Daran wird die Elitenförderung aber nichts ändern. Selbst bei den geförderten Unis wird das Geld nicht die Mehrheit erreichen. Und auch an dem Missstand der Lehre allerorten wird sich überhaupt nichts ändern.

Universitäten sind streng hierarchische Unternehmen. Wieso ist das immer noch so, obwohl die 68er sie doch demokratisieren wollten?

Auch heute noch sind nur 17 Prozent der MitarbeiterInnen Professoren. An der Ordinarienherrschaft der Universität haben wir also nur wenig geändert und stattdessen quasi-demokratische Strukturen in die Gremien eingebaut. Die Personalstruktur blieb dagegen unberührt. Im Gegenteil: Der Ausbau der Universitäten im Zuge von '68 hat dazu geführt, dass wir einige riesige Anzahl von Mitarbeitern haben, die unter Anleitung von Professoren arbeiten und sich wenig entfalten können. Ich habe daher vorgeschlagen, alle wissenschaftlichen Mitarbeiterstellen in Junior- und Seniorprofessuren umzuwandeln.

Fördert die Exzellenzinitiative nicht die von ihnen verlangte Konkurrenz der Universitäten untereinander?

Nein. Durch die Initiative werden einzelne Institutionen herausgehoben und geschützt. Insofern wird die Konkurrenz de facto eingeschränkt.

Kreative Forschung bedarf des freien Wettbewerbs. Ist diese sattsam bekannte Idee, der freie Markt wird es schon richten, nicht ein Irrglaube?

Märkte entstehen nicht von selbst. Sie bedürfen einer strikten Regulierung durch eine Wettbewerbsordnung. In den wirtschaftlichen Märkten haben wir diese in Form der Kartellbehörden. Mit der Exzellenzinitiative arbeiten wir diesem Wettbewerb entgegen. Ich plädiere dafür, dass Fördergelder an die Personen gehen, die Spitzenleistungen erbringen - und nicht an die Institutionen. Nur so erzielt man mehr Offenheit und Chancengleichheit. Auch die Hierarchien oder besser Oligarchien samt der patriarchalischen Strukturen müssen abgebaut werden. Sie halten die Nachwuchswissenschaftler, bis sie etwa 40 Jahre alt sind, aus dem Wettbewerb heraus.

Warum findet ihre Kritik nicht mehr Gehör?

Weil man versucht, den auf dem Forschungsmarkt führenden Hochschulen, insbesondere aus den USA, zu begegnen, indem man Institutionen in Unternehmen umwandelt. Es etabliert sich ein akademischer Kapitalismus, der Mittel und Zweck gegeneinander austauscht. Die Forschungsmittelakkumulation wird zum Selbstzweck.

Wo sehen Sie Ansatzpunkte für eine Gegenwehr?

Der Mittelbau müsste lautstark für seine Zukunft eintreten. Da würden ihnen sicherlich auch viele Professoren beitreten.

Welche Idee von Elite erachten Sie für sinnvoll?

Wir haben ja viele Spitzenforscher. Das ist nicht das Problem. Doch bei der Initiative, die Institutionen und nicht Personen zur Elite kürt, handelt es sich um eine mediale Inszenierung. Wir glauben, dass wir von heute auf morgen eine neue Elite haben können, per Antragsverfahren. Das ist absurd. Auch die amerikanischen Unis nennen sich selber nicht Elite-Universitäten. Je mehr man dieses Wort selber in den Mund nimmt, um so unglaubwürdiger wird man.

Ist die Exzellenzförderung für die Naturwissenschaften adäquater als für die Geistes- und Sozialwissenschaften?

Es ist sicherlich eine Sache der Größenordnungen. Auch wenn die Geistes- und Sozialwissenschaften bei der zweiten Runde der Exzellenzinitiative etwas mehr abbekommen haben als bei der ersten Runde, profitieren sie gar nicht davon. Weil diese großen Verbünde, die hier geschaffen werden, für die Geistes- und Sozialwissenschaften Gift sind. Die leiden darunter mehr, als sie dadurch gefördert werden.

Warum?

Es ist sinnlos, einen Verbund von 25 Professoren mit nochmal fünfzig Mitarbeiter zu beschäftigen, die an einem Thema arbeiten. Die Fördergelder sind nur ein Instrument, große Mengen an Geld an einen bestimmten Platz zu bringen, also die Monopolbildung zu fördern. Der Koordinations- und Verwaltungsaufwand für die Großforschungseinrichtungen ist so hoch, dass die Zeit für die Forschung fehlt.

Bei den Naturwissenschaften ist das anders?

Hier sind größere Strukturen seit je her die Regel. Aber auch hier verhindern Riesenverbünde, flexibel auf neue Entwicklungen reagieren zu können.

Hat die Exzellenzinitiave Zukunft?

Nein. Ob es eine Wiederholung in fünf Jahren geben wird, ist derzeit völlig offen. Ich erwarte, dass für die Geisteswissenschaften ein eigenes Programm gemacht wird

INTERVIEW: INES KAPPERT

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