10 JAHRE REGIONALGELD : "Autark zu sein, ist nicht das Ziel"

Seit zehn Jahren hält sich in Bremen der "Roland". Die alternative Währung könnte die weltweite Finanzkrise lösen, sagt Mitinitiator Karl-Heinz von Bestenbostel

Geld gegen Ware: Das funktioniert hierzulande auch ohne den Euro Bild: dpa

taz: Herr Bestenbostel, ist der "Roland" sicher?

Karl-Heinz von Bestenbostel: Für den Roland ist keine Finanzkrise in Sicht. Obwohl der Wechselkurs derzeit eins zu eins an den Euro gekoppelt ist. Den aber legen wir selber fest und wenn wir wollen, können wir uns ganz abkoppeln.

Den "Roland" gibt es als Alternativwährung nun seit 10 Jahren. Andere hielten nicht so lange durch. Was ist am "Roland" anders?

Bei vielen regionalen Währungen müssen Wertgutscheine gekauft werden. Wir haben ein Schecksystem. Man wird Mitglied und in teilnehmenden Geschäften geben sie einen Scheck ab. Erst am Ende des Monats wird verrechnet, wie viele "Roland" sie ausgegeben haben, dann zahlen sie in Euro. Aber ob wir deshalb durchhielten, weiß ich nicht.

Vor der Euro-Krise haben Sie also keine Angst?

Nur wegen der Unsicherheit und der Turbulenzen. Aber, dass dieses Euro-System nicht mehr funktionieren kann, ist seit Jahren klar. Auf der einen Seite türmen sich unheimliche Schuldenberge auf. Und bei den anderen liegen die großen Milliarden.

Und der Roland?

…stärkt die regionale Wirtschaft. Der Umtausch in Euro kostet eine Gebühr, um ihn etwas unangenehmer zu machen.

Vielleicht sollten die Griechen den Roland einführen?

Es gibt die Diskussion um Drachmen als Regionalgeld. Das ist im Grunde die einzige Lösung. In Griechenland könnten die Menschen wieder selbst anpacken. Jemand, der arbeitslos ist, ist verurteilt zum Nichtstun.

Ist Kleinstaaterei heutzutage eine Lösung?

Auf jeden Fall. Es ist die Antwort. Auch in Griechenland funktionierte deren Volkswirtschaft. Erst mit dem EU-Beitritt drangen die finanzstarken Global Player ein und pickten sich die Rosinen heraus. Früher hat ein Bauernhof erstmal das produziert, was die Menschen brauchten, die dort lebten.

Also zurück zur Subsistenzwirtschaft?

Wir leben in einer globalisierten Welt. Autark zu sein, ist nicht das Ziel. Es geht nur darum, so zu wirtschaften, dass wir mehr und mehr Güter in den eigenen Reihen herstellen können.

Aber es ist eine Rückwärtsbewegung zur Arbeitsteilung?

Wenn man weggeht von einer Fremdversorgung, der Arbeitsteilung, und sich wieder stärker selbst versorgt, dann wäre das ein Wirtschaftsmodell der Zukunft.

Nun ist gerade Bremen sehr stark auf überregionales Geld angewiesen.

Die Sparmaßnahmen, um die Schulden loszuwerden, etwa die Erhöhung der Gebühren für Kindergärten, stehen den 220 Milliarden gegenüber, die der EU-Rettungsschirm kostet. Da versuchen wir etwas anderes aufzubauen.

Muss man sich den Roland leisten können?

Ja und nein. Die Anbieter haben den Vorteil, dass die Leute die Rolands nur bei ihnen ausgeben. Bei den Konsumenten ist es anders: Es gibt eine Umlaufgebühr, das Geld verliert ein Prozent im Monat an Wert und ich kann nur in den kleinen Läden kaufen, die teurer sind als Aldi oder Karstadt. Die Konsumenten, die daran teilnehmen, sehen im Roland eine Alternative, die ihnen viel wert ist.

Weltweit flammt mit der "Occupy Wall Street"-Bewegung eine Kritik an Banken, Geld- und Finanzsystem auf. Stärkt das die Alternativ-Währungen?

Auf jeden Fall. Es besteht eine Nähe in der Kritik am Bankensystem und der unglaublichen Umverteilung, die die Ärmsten ausbaden müssen.

Es ist eine Kritik an der Spekulationssphäre. Aber auch um Maschinen für die Produktion anzuschaffen, braucht man Kredite der Banken.

Der Roland vergibt auch Kredite an Mitglieder, zinsfrei. Aber in ganz bescheidenem Maße, bis zu 5.000 Euro. Bei der geringen Anzahl der Mitglieder schwimmen wir nicht im Einlage-Geld. Die Frage ist doch: Wie können die Interessen von den Menschen in eine Unternehmensführung mit einfließen. Wir wollen die Lebensqualität der Menschen verbessern. Zwischenmenschlich, durch Netzwerke, die entstehen.

Aber nur regional?

Wir arbeiten in der Region, aber wir haben schon das Wohlergehen der Menschheit im Auge.

60, ist Betriebswirt und Wirtschaftspädagoge und im Vorstand von Roland-Regional. Der Verein hat etwa 250 Mitglieder, die 2010 370.000 Euro in "Roland" umsetzten. 116 von ihnen nehmen auch "Roland" ein, darunter Apotheken, Naturkostläden und Biohöfe.

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