42,195 km Volksfest: Ein Lauf, der bleiben wird

Der 38. Berlin-Marathon konnte nicht nur mit einem neuen Weltrekord aufwarten - dieser Sonntag war ein fantastischer Tag für alle, die das Laufen lieben.

Da rennen sie: 41.000 an der Zahl auf dem Berlin-Marathon. Bild: dpa

Was für ein Lauftag! Vielleicht darf am Ende des 38. Berlin-Marathons einfach die Begeisterung stehen, die er LäuferInnen wie UnterstützerInnen bereitet hat. Die großen Rennen in allen Wettbewerben, die er geliefert hat, die kleinen und großen Geschichten, die er an diesem spätsommerlichen Tag erzählt hat. Nicht nur einen Weltrekord bei den Männern gab es, sondern auch eine Siegerin im Frauenwettbewerb, die damit ihren ersten Marathon überhaupt beendet hat.

Die ganze Stadt ist abgesperrt am frühen Morgen. Gespenstisch still ist es, nur Absperrgitter und Polizei. Um 8.30 Uhr ist kaum ein Auto auf der Straße. In Richtung Tiergarten wird es schlagartig laut. Man hört Vorfreude heraus, als Unter den Linden Läufer und Unterstützer ihre Positionen einnehmen. Der Moderator begrüßt die Weltrekordler, Haile Gebrselassie und Paula Radcliffe. Jubel im Startbereich.

Ein paar Meter weiter kämpfen Nachzügler um die begehrten Dixi-Klos. "Genießen Sie diesen Lauf", hallt es aus dem Lautsprecher. Wie sollte man auch nicht? 20 Grad, Sonnenschein, perfektes Wetter. Auch wenn man das mit dem Genießen bei Kilometer 35 anders sehen mag.

Die Organisatoren des Berlin-Marathons sind beflissene Zähler: Nicht nur die angemeldeten Läufer- und WalkerInnen (40.963), SkaterInnen (6.572), HandbikerInnen (152) und Rollstuhlfahrerinnen (41) wurden bilanziert, sondern auch die folgenden Posten: 272.000 Sicherheitsnadeln

240.000 Liter Wasser

145.000 Bananen

90.000 Programmhefte

80.000 Kekse

45.000 Äpfel

40.500 Schwämme

10.000 Joghurtdrinks

7.500 Kilo Nudeln

5.900 Helfer

2.780 Kilo Medaillen

250 Liter Massageöl

UNSERE BESTEN

Mit Stolz verkündet die Berlin-Redaktion, dass ihr Mitglied Stefan Alberti die beste Zeit unter den rennenden taz-Kollegen eingelaufen hat. 3:20 Stunden brauchte der Landespolitik-Redakteur bis ins Ziel; damit war Alberti schneller als Mitarbeiter Bernhard Pötter (3:35), der für die Wirtschaftsredaktion schreibt. Reporter Matthias Lohre überwand die 42,195 Kilometer in 3:49 Stunden. Allen drei: herzlichen Glückwunsch! Aus Gründen der Gleichstellung werden Frauen ab sofort verstärkt zum Rennen ermuntert.

Nach dem Start macht sich das Publikum auf den Weg zu den Streckenpunkten - man möchte die Freunde, Kollegen und auch die Stars an möglichst vielen Abschnitten sehen. Viele fahren die Strecke mit dem Fahrrad ab, was nicht nur eine logistische Herausforderung ist: Fast überall drängen sich die Menschen in Zweier- oder Dreierreihen.

Am Mehringdamm, bei Kilometer 19, steht eine Gruppe von Capoeira-Kampfsportlern in blauem Vereinsdress. Zu Sambaklängen schlagen sie Räder und simulieren Kämpfe. "Wir kommen jedes Jahr zum Anfeuern her", sagt eine blonde Mittzwanzigerin. Jetzt kommen Handbiker und Rollis vorbei, die Kampfsportler drehen auf. Ein paar Meter weiter steht Carolina aus Argentinien. "Forza, Forza", ruft sie auf Italienisch, als die ersten Läufer kommen. Sie wartet auf ihren baskischen Mann Iñigo. "Jetzt kommt der aber noch nicht." Dafür die ersten brasilianischen Läufer: "Forza Brasilia", ruft Carolina. "Wir Südamerikaner halten zusammen."

Berlin teilt sich auf in Strecke und Nichtstrecke. Am Ort des Geschehens Gerassel, Jubel, Getröte, dort, in den lauflosen Bezirken, Menschenleere und Stille.

Bei Kilometer 38 bringen zwei Frauen mittleren Alters die Sache auf den Punkt: "No pain, no glory" steht auf ihrem riesigen Transparent. Die besten Läufer queren jetzt den Punkt. "Ist Haile eigentlich ausgestiegen?", fragen sie. "Muss wohl", sagt der Nachbar. "Sonst wäre er dabei gewesen." Weltrekordhalter Haile Gebrselassie ist Berlins Liebling. Es kommt aber Patrick Makau mit seinem Tross, vor ihnen das Fahrzeug mit der Zeitanzeige. "Mann, ist der schnell unterwegs", sagt die eine Transparent-Frau. Als Florence Kiplagat, die schnellste Frau, kommt, fährt ein Mann eine Weile mit dem Fahrrad neben ihr her. Er hat Schwierigkeiten mitzuhalten.

Und dann auch solche Szenen: Kurz nach Kilometer 40, eine Läuferin humpelt, vielleicht eine Verletzung am Fußgelenk. Ihr Gesicht ist schmerzverzerrt, sie weint. Ihr Freund kommt vom Streckenrand und nimmt sie an der Hand. Sie gehen zusammen die letzten zwei Kilometer. Überall am Wegesrand sind Plakate und Muntermacher zu sehen, Meter um Meter werden Herzen und Banner hochgehalten für die Fränkies, Sarahs und Jürgens, die sich gerade gen Ziel quälen.

Dort ist die Atmosphäre gelöst. Um nach elf läuft Patrick Makau ein: 02:03:38 Stunden, Weltrekord. Eine Viertelstunde später die Siegerin Florence Kiplagat aus Kenia, auch sie mit fantastischer Zeit. Dann Irina Mikitenko aus Gelnhausen, die Britin Paula Radcliffe ist Dritte.

Ein tolles Rennen für die Stars - und die anderen auch: Für die 40.000, die noch einlaufen werden, für vielleicht eine halbe Million am Wegesrand, für Tröter, Trommler und Trittbrettfahrer. Wer etwas fürs Laufen übrig hat, wird ein Glänzen in den Augen gehabt haben.

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