ALG-I-Streit: Ver.di hat wenig Vertrauen in Beck

Der SPD-Vorsitzende testet auf dem Kongress der Dienstleistungsgewerkschaft, wie sein Vorschlag zur Verlängerung des Arbeitslosengeldes I ankommt.

"Jemand, der schnell einknickt": SPD-Chef Kurt Beck auf dem ver.di-Bundeskongress Bild: dpa

Leipzig taz Ver.di-Bundeskongress, Donnerstag morgen: Der Cheforganisator bittet die rund 900 Delegierten eindringlich, sich zu benehmen. Protestplakate gerne, aber so, dass sie die Kameras nicht stören. Und kein Gerangel auf der Bühne, bitte, das Sicherheitsbedürfnis der Politiker sei ja doch sehr groß. Da ist Kurt Beck noch weit weg.

Viel erwarten die Gewerkschafter nicht vom SPD-Vorsitzenden. Ver.di hat immer gegen die Hartz-Gesetze gekämpft. "Es ist doch unerträglich, dass Leute, die ihr Leben lang geackert haben, nach einem Jahr nur noch Hartz IV bekommen", sagt Heinrich-Dietrich Klam, 60. Er arbeite im Duisburger Hafen. Dort werde umstrukturiert, viele Kollegen hätten Angst.

Doch Klam sagt auch: "Beck beschreitet den richtigen Weg." Insofern geht es für den SPD-Chef hier auch um einen Test: Wie kommt sein in der SPD umstrittener Vorschlag, älteren Arbeitslosen länger Arbeitslosengeld I zu zahlen, an bei den Gewerkschaften? Taugt er, um bei Linken zu punkten?

Wer sich unter den Delegierten umhört, merkt schnell: Becks Herantasten an die Reform der Reform findet Anklang - aber der reicht längst nicht, um den tiefen Riss zwischen SPD und Gewerkschaften zu kitten, den die Hartz-Gesetze geschlagen haben.

Vor allem die Älteren fühlen sich von der SPD verraten. Margret Dederichs, 57, kennt mehrere Menschen in ihrem Alter, die Ende des Jahres ihren Job verlieren werden. "Die Chancen, wieder Arbeit zu finden, sind sehr gering", sagt die Betriebsrätin der Telekom-Tochter T-Systems. "Ich würde mir wünschen, dass Becks Vorschlag ernst gemeint ist."

Viele Delegierte bezweifeln, dass der SPD-Chef hält, was er verspricht. Da gehe es "allem um Taktiererei", sagt eine. Uwe Schreiner, Einzelhändler aus Niedersachsen, vermutet vor allem strategisches Kalkül. "Es ist klug, ein Thema zu besetzen, das so viele Menschen berührt", sagt der 52jährige. "Aber Beck ist jemand, der schnell einknickt und Kompromisse macht - nach dem Motto: Was stört mich mein Geschwätz von gestern." Becks Ehrgeiz, im Jahr 2009 als sozialdemokratischer Kanzlerkandidat aufgestellt zu werden, verstärke diesen Hang noch: "Er wird es sich wegen des Arbeitslosengeldes nicht mit dem rechten Flügel seiner Partei verscherzen."

Er fühle sich heimisch in dieser Runde, ruft Kurt Beck vom Podium. "Übernächstes Jahr bin ich 40 Jahre in der Gewerkschaft, dann will ich eine Ehrung!" Beck redet und redet, über Kündigungsschutz, über Unternehmen, die nicht "ausgequetscht werden dürften wie Zitronen", über "anständige Löhne und Gehälter". Der Applaus bleibt kurz, höflich - herzlich klingt anders.

Dann lobt der SPD-Chef das Ergebnis der Hartz-Reform: Die Agenda 2010 habe entscheidend dazu beigetragen, die Zahl der Arbeitslosen um eine Million zu senken, sagt er. Das will niemand in der Kongresshalle hören. Pfiffe und Buhrufe hallen durch den Saal, ein Dutzend Gewerkschafter baut sich mit Protestplakaten um sein Pult auf. Hinten schüttelt eine Delegierte den Kopf.

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