ARD-Doku „Ernstfall – Regieren am Limit“: Olaf starrt aus dem Fenster

Der Produzent und Autor Stephan Lambys hat für seinen Film „Ernstfall – Regieren am Limit“ zwei Jahre lang die Ampel-Regierung begleitet – sehr nah.

Bundeskanzler Scholz - Rückenansicht, schaut aus dem Fenster Richtung Bundestag

„Regieren am Limit“: Olaf Scholz in seinem Büro im Kanzleramt Foto: Foto: Kay Nietfeld/dpa/SWR

Ein Kinosaal hat im Allgemeinen keine Fenster, was ein bisschen schade ist. Denn in Stephan Lambys neuem Film spielen sie eine große Rolle. „Ernstfall – Regieren am Limit“ läuft am 11. September in der ARD. Lamby ist ja so etwas wie der Chronist der Bundesrepublik geworden, hat KanzlerInnen und ganze Kabinette mit der Kamera und seinen Fragen begleitet. Die vergangenen zwei Jahre hat Lamby also die Ampelkoalition begleitet. Ein Film über den Klimawandel sollte es werden, erzählt Lamby bei der Premiere im Berliner Astor-Kino.

Doch dann kam der russische Überfall auf die Ukraine. Weshalb Olaf Scholz, Annalena Baerbock, Robert Harbeck und Christian Lindner aus diversen Fenstern des Kanzleramts, ihrer Ministerien oder der Luftwaffen-Airbusse starren. Mal blicken sie ratlos, mal souverän, mal einfach nur müde. Bei Scholz wirkt es einmal sogar ein bisschen amüsiert, weil sich das Ganze so überdeutlich als Inszenierung entlarvt.

Das tut dem Film aber keinen Abbruch, genauso wenig wie der reißerische Titel, der so gar nicht zu Lambys behutsamer Art zu fragen passt. Die dürfte wiederum entscheidend gewesen sein, dass er überhaupt so lange und so nah dabei sein durfte. Doch geht so viel Nähe überhaupt?

Leises Kino

„Bei Entscheidungen war ich nicht dabei, das sollen die schon selber machen“, sagt Lamby gleich vorweg. Und später beim Filmgespräch dann „ich war nicht embedded, es gab keine Bedingungen“. Gerade dies unterscheide die Ampel auch von allen Vorgänger-Regierungen, erzählt Lamby und dass so ein Film in anderen Ländern wie den USA komplett unmöglich wäre.

Deshalb ist, wenn schon nicht Scholz, immerhin Kanzleramtsminister Wolfgang Schmidt da. Und sagt beim Tête à trois mit ARD-Hauptstadtstudio-Chefin Tina Hassel und Lamby nach der Filmvorführung den schönen Satz: „Wir haben ja keine Waffenproduktion in Deutschland gehabt, das war Manufactum, sehr teuer und sehr schön, aber nicht massentauglich.“

„Ernstfall – Regieren am Limit“ läuft am 11.09.23, 20:15 Uhr, Das Erste

Wie diese Regierung aus Kriegsdienstverweiger*innen, wie Lamby mehrfach betont, nun mit dem Krieg umgeht, zeigt der Film aber zum Glück nicht als großes Kino, sondern eher leise. „Echtzeitschach“, nennt dies Hassel, was ganz gut passt. Die Regierung kann mit dem Film ziemlich zufrieden sein, heftige Kritik gibt es kaum. „Ja fein, aber bei wem will er denn punkten? Bei der Regierung, bei der Filmkritik oder beim Publikum?“, fragt die Mitbewohnerin.

„Ich hab nicht das Gefühl, dass ich mich im Film zurücknehme“, sagt Lamby auf entsprechende Fragen nach fehlender Kritik. Und es beschleicht einen das Gefühl, er würde jetzt selbst gern ein bisschen gedankenversunken aus dem Fenster schauen. Bloß gibt es im Kino keins.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

2000-2012 Medienredakteur der taz, dann Redakteur bei "ZAPP" (NDR), Leiter des Grimme-Preises, 2016/17 Sprecher der ARD-Vorsitzenden Karola Wille, ab 2018 freier Autor, u.a. beim MDR Medienportal MEDIEN360G. Seit Juni 2023 Leitung des KNA-Mediendienst. Schreibt jede Woche die Medienkolumne "Flimmern und rauschen"

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.