ARD-Themenwoche "Der mobile Mensch": Eine pferdestarke Liebe

Zum Auftakt der ARD-Themenwoche "Der mobile Mensch" bringen "Carl & Bertha" mit vereinten Kräften das erste Auto auf die Straße. Eine schön in Szene gesetzte Botschaft.

Zupackend: Bertha Benz (Felicitas Woll) und ihr Carl (Ken Duken). Bild: ARD/SWR

"Wer zu lange träumt; wer nicht erwacht, der läuft Gefahr sein Leben zu verpassen." Den Blick ins Leere gerichtet, lauscht Carl Benz (Ken Duken) aufmerksam den Priesterworten zur Beerdigung seines Schwiegervaters. Sie spiegeln seine inneren Zweifel. Seit Jahren versucht der Erfinder, seine Vision eines Automobils in die Realität umzusetzen.

Die Kraft und Mühen, die er und seine Familie investiert haben, scheinen im Angesicht des Todes für einen Augenblick bedeutungslos. "Es gibt Realitäten, denen man sich stellen muss", fügt der Geistliche hinzu. Es ist ein entscheidender Moment des Zögerns: Soll Benz seiner Familie weiter zumuten, Hunger zu leiden, und sie dem Gespött der Leute aussetzen - nur damit er sich selbst verwirklichen kann?.

Wenn Benz in den 18 Jahren Entwicklungszeit zweifelt, ermutigt seine Frau Bertha (Felicitas Woll) ihn stets. Als sie sich 1871 in Mannheim kennen lernen, rettet sie mit ihrer Mitgift seine angeschlagene Firma. In den kommenden Jahren ist beim Ehepaar Benz dennoch immer wieder das Geld knapp. Nach einigen Misserfolgen ist Carl schlussendlich so zermürbt, dass er seine Patentrechte verkaufen will. Bertha unternimmt einen letzten Versuch, ihren Mann davon abzuhalten, sein Lebenswerk aus der Hand zu geben: Sie schnappt sich den Wagen und wagt ganz allein die erste Überlandfahrt der Automobilgeschichte.

Geschichte des Automobilerfinder-Ehepaars Benz

Mit "Carl und Bertha" hat Regisseur Till Endemann ("Flug in die Nacht - Das Unglück von Überlingen") die Geschichte des Automobilerfinders zum ersten Mal als Spielfilm in Szene gesetzt - der schon rein optisch mit seiner liebevollen Ausstattung punktet. Der Fokus liegt nicht auf der komplizierten Technologie; zeitliche Verortung und gesellschaftliche Verhältnisse werden zugunsten der Dramaturgie vergleichsweise kurz angerissen, was dem Film aber nicht schadet.

Endemann wählt den Ansatz eines Biopics, beleuchtet die Personen und ihren Lebensalltag. Die innige Beziehung des Ehepaars Benz spielt die wichtigste Rolle im Film. Deren Darstellung berührt, manchmal kommt sie dann allerdings doch zu kitschig daher. Zum Beispiel, wenn Bertha den zweifelnden Carl im strömenden Regen mit pathetischer Stimme zuruft: "Ich will einfach nicht glauben, dass unsere Träume ein Ende haben."

Es ist die Eingangs- und - neben dem Trauergottesdienst - eine weitere Schlüsselszene des Films. Felicitas Woll und Ken Duken fesseln den Zuschauer von Anfang an. Einerseits geht es um die Sehnsucht nach der romantischen Liebe. Daneben steht der Wunsch, sich selbst zu verwirklichen und seinen Lebenstraum zu erfüllen.

Die starke Frau hinter dem schwächelnden Mann

Damit bietet das Drama zwei unterschiedliche Identifikationsflächen, die den Zuschauer mitreißen. Das funktioniert, denn es hängt vom Betrachter ab, in welchem Aspekt er sich wiederfindet. Am Ende macht Bertha den Erfolg möglich: Für das 19. Jahrhundert seltsam emanzipiert und charakterstark, hält sie die Beziehung und Liebe aufrecht, wenn Carl schwächelt. Zu Beginn unterstützt sie ihn lediglich finanziell, zu guter Letzt beweist sie ihm, dass seine Erfindung wirklich funktioniert.

Hier schneiden sich gekonnt die Identifikationsebenen: Die Erfüllung von Benz' Lebenstraum wäre ohne die Liebe und Unterstützung seiner Frau nicht möglich und diese Liebe wiederum wird von dem Ziel, die Vision umzusetzen, beflügelt.

Der innere Konflikt von Benz gipfelt gegen Ende des Films in einem mitreißenden Moment, als er erfährt, dass sein Wagen funktioniert: Er zittert am ganzen Körper, Tränen kullern über seine Wangen - er kann das erfolgreiche Ende seiner langen Reise von der Vision zur Realität einfach nicht glauben.

"Wir haben uns versprochen, dass wir nie aufhören, an uns zu glauben", resümiert Bertha am Schluss. Gemeinsam beweisen sie, dass kein Leid zu groß ist, um aufzugeben und seine Träume zu begraben. Man muss nur an sich glauben - eine zwar nicht neue, aber doch so schön in Szene gesetzte Botschaft.

"Carl & Bertha", Montag, 23.5., 20.15 Uhr, ARD

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.