"ARD" und "ZDF" über Seiberts Premiere: Verlängerte Ohrfeige

Bis vor kurzem war er ihr Kollege. Doch an seinem ersten Tag als Regierungssprecher Merkels wird Seibert für die Nachrichtenmacher von "ARD" und "ZDF" zum Fremdkörper.

Steffen Seibert: Seitenwechsel mit Seitenscheitel. Bild: dpa

Steffen Seibert war nie beim ZDF. Diesen Eindruck versuchte zumindest sein früherer Arbeitgeber in der Berichterstattung über Seiberts ersten Auftritt in der Bundespressekonferenz am Montag zu erwecken. Im "heute-journal", der Sendung, die Seibert bis vor kurzem als Urlaubsvertretung von Claus Kleber und Marietta Slomka etwa 40 Mal im Jahr präsentierte, war er "ein Ex-Nachrichtenmoderator, nun Übersetzer für Merkel-Politik" - keine Silbe mehr.

Das war dann wohl die Verlängerung der Ohrfeige, die ZDF-Chefredakteur Peter Frey dem von ihm durchaus geschätzten Seibert - er selbst hatte ihn zum "ZDF-Morgenmagazin" geholt - schon zum Abschied vom Fernsehen gab. Er habe eine "persönliche Entscheidung" getroffen, hieß es bei Bekanntwerden der Personalie im Juli hörbar verschnupft. "Wir bedauern, dass Steffen Seibert seine Perspektive nicht im Journalismus gesehen hat", sagte Frey. "Er nimmt die bundesweite Bekanntheit, die er auf dem Schirm als Moderator von 'heute' und 'heute-journal' erworben hat, und die damit verbundene Kompetenz und Glaubwürdigkeit mit in seine neue Aufgabe." Ein Abschied im Guten sieht anders aus.

Überhaupt taten sich ARD und ZDF in ihren vier Haupt-Nachrichtensendungen am Montagabend auffallend schwer mit dem Seitenwechsel eines Menschen, der unlängst noch ein Öffentlich-Rechtlicher war. Die Redaktion der "heute"-Sendung, die Seibert beim ZDF hauptsächlich moderierte, hatte es um 19 Uhr immerhin noch übers Herz gebracht, ein "ZDF" zwischen "bisher" und "Nachrichtenmoderator" zu quetschen.

Um Seiberts ersten "richtigen" Arbeitstag - offiziell ist er schon seit letztem Mittwoch im Amt - ging es in beiden ZDF-Beiträgen aber nur am Rande. Der Fokus lag nachvollziehbarerweise auf dem Ende der politischen Sommerpause und der Diskussion um Steuersenkungen und AKW-Laufzeiten. Am konsequentesten zog diese Sachorientierung die für ihre Nüchternheit bekannte "Tagesschau" durch, für die Seibert nur "Merkels neuer Sprecher" war - sein Name schaffte es nur im Einspieler kurz in die Bauchbinde. Wer die verpasste, blieb möglicherweise bis zu den "Tagesthemen" mit der Frage allein, woher er den so strebsam gescheitelten Herrn denn nochmal kennt - vorausgesetzt natürlich, er guckt überhaupt noch eine zweite Nachrichtensendung am selben Abend.

In den "Tagesthemen" also blieb dann aber keine Frage unbeantwortet - bis auf eine. Gegen Ende der Sendung widmete die Redaktion dem neuen Regierungssprecher einen ganzen Beitrag, stellte ihm sogar außerhalb der Bundespressekonferenz ein paar unverfängliche Exklusivfragen. Natürlich spielte auch in diesem Beitrag wieder die bei Journalisten so beliebte Frage eine Rolle, ob Seibert es wohl auch in Merkels engsten Vertrautenkreis schafft - wie sein ebenso strebsam gescheitelter Vorgänger Ulrich Wilhelm. Warum Wilhelm die Bundesregierung verlassen hat, wurde im Beitrag jedoch mit keinem Wort erwähnt. Denn es ist ein Politikum: Wilhelm wird nämlich im Februar 2011 Intendant des Bayrischen Rundfunks (BR) und stellt damit das schon durch die Causa Brender beim ZDF erschütterte Gebot der Staatsferne des öffentlich-rechtlichen Rundfunks erneut auf eine harte Probe.

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