Adventskalender (1): Ein echter Kracher

Heimische Walnüsse gibt's selten zu kaufen – noch. Denn die Walnussmeisterei in Herzberg hat sie alle. taz-Adventskalender „Kannste nicht meckern“ (1).

Walnüsse in Nahaufnahme

Na, sind Sie auch so ein alter Knacker? Dann nichts wie ran! Foto: imago / robertkalb photographien

Es gibt sie noch, die nicht ganz so schlechten Dinge – auch wenn sie derzeit rar gesät sind. In diesem Advent zaubern wir jeden Tag etwas Meckerfreies aus unserem Kalender. Sei's kulinarisch oder klimatisch, mobil oder musikalisch. Lassen Sie sich überraschen.

BERLIN taz | Diese Nuss ist der Hammer: Locker doppelt so groß wie eine Walnuss aus dem Supermarkt, hat sie die Ausmaße einer kleinen Kinderhand. Sie schmeckt aromatisch und mild, nur der Name irritiert etwas: „Dicke Polin“ heißt die Riesennuss, die im Hofladen der Walnussmeisterei in Herzberg im Landkreis Ost­prignitz-Ruppin in Brandenburg angeboten wird. Der Name ist schnell erklärt: Die dicke Nuss kommt aus dem Nachbarland.

Vivian Böllersen baut im neunten Jahr Walnüsse an. Die ersten 200 Bäumchen hat sie 2015 in Velten im Landkreis Oberhavel auf rund 4,5 Hektar in die Erde gebracht. Gut Ding will Weile haben: Dieses Jahr hat sie nur kleine Mengen ernten können – pro Baum „einen Blumenkübel voll“. Diese Nüsse werden gewaschen und getrocknet und „sind zum Verkosten da oder kommen in den Schaukasten“, sagt Böllersen. Rund 30 verschiedene Sorten baut sie mit ihrem siebenköpfigen Team an.

Im Schaukasten des Hofladens liegen bereits Exemplare der Roten Donaunuss – eine ist geöffnet, der dunkelrote Kern ist zu sehen. Andere Sorten tragen Namen wie „Esterhazy“, „Finkenwerder Deichnuss“ oder „Hospozin“, eine aus Tschechien stammende Nuss mit fast pinkem Kern. „Es gibt noch viel mehr Sorten“, sagt Böllersen, „aber in Supermärkten kriegt man meist nur Walnüsse aus Kalifornien.“

Die Jungunternehmerin ist in Neukölln groß geworden. Als ihre Familie nach Rudow zog, stand dort im Garten ein großer Walnussbaum. Dieser Baum hat, so ließe sich behaupten, ihr Leben beeinflusst. Denn nach dem Abitur studierte Böllersen Ökolandbau an der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde. Für ihre Masterarbeit beschäftigte sie sich mit dem Potenzial des ökologischen Walnussanbaus in Deutschland.

Selten auf freier Flur
Frau hält Kiste mit Walnüssen und lächelt

Vivian Böllersen, die Chefin der Walnussmeisterei Foto: Klaus-Dietmar Gabbert

Ein unbestelltes Feld, sozusagen: „In den letzten 30 Jahren wurden selten Walnussbäume gepflanzt“, erklärt Böllersen. Die meist älteren Exemplare in Brandenburg stehen vor allem in Gärten. „Je wärmer und südlicher die Region, desto mehr finden sich Walnussbäume auf freier Flur.“ In den hiesigen Wäldern aber gleich gar nicht: „Dafür wachsen sie zu langsam.“

Vivian Böllersen könnte lange Referate halten, zum Beispiel darüber, wie die Nazis auf die Walnuss als leichte wie energiereiche Marschverpflegung setzten, oder wie die Walnuss in der BRD wie in der DDR ein Nischendasein führte, auch weil nicht gezüchtet, sondern lediglich selektiert wurde. „Einen kommerziellen Anbau gab es hier nie, der Selbstversorgungsgrad war aber durch die vielen Hofbäume sehr hoch – fast auf jedem Grundstück in einigen Regionen.“ Ganz anders in Frankreich oder den USA, aber auch in Ungarn, sagt Böllersen. „Gerade in Frankreich gibt es eine jahrhundertelange Tradition.“

Jetzt also auch in Brandenburg: In Velten wachsen nun alte deutsche Sorten neben ertragreicheren französischen Züchtungen. Wie die Bäume mit Sandboden und Trockenheit zurechtkommen? Das werden die nächsten Jahre zeigen. „Wir sammeln Erfahrungen“, sagt Böllersen und schiebt hinterher, man müsse „Idealismus wagen“.

Weil von Idealismus allein niemand leben kann, kauft Böllersen für ihr noch junges Unternehmen „Überbrückungsware“ ein. Das sind regionale Walnüsse aus Brandenburger Gärten, auch aus Leipzig und Magdeburg. Andere kommen in Bioqualität aus Familienbetrieben in Ungarn oder der Slowakei. In 10 bis 15 Jahren, schätzt Böllersen, kommt sie mit der eigenen Ernte über die Runden.

Der Markt ist da: Die Walnuss ist gefragter denn je, nicht nur bei vegan lebenden Menschen. Denn mit ihrem hohen Anteil essenzieller Fettsäuren ist sie ein perfekter, eiweißreicher Energielieferant. „Eine Handvoll Walnüsse am Tag oder etwas Walnussöl sind einfach gesund.“ Und wer denkt in der Advents- und Weihnachtszeit nicht an Walnüsse?

Leerstelle Logistik

Anbauflächen, Logistik und Infrastruktur dagegen sind große Leerstellen. So gesehen darf Vivian Böllersen als Pionierin gelten. Seit 2017 lebt sie mit Mann und Kindern in Herzberg und betreibt die Walnussmeisterei, seit 2018 gibt es den Hofladen, auch eine Baumschule hat sie aufgebaut. Seit 2020 knackt eine Maschine die Nüsse. Die kann man mieten – oder überlässt das Knacken der Meisterei. Böllersen liefert Kerne an Bäckereien, Restaurants oder Unverpackt-Läden, sie lässt daraus Mehl, Senf und Brotaufstrich herstellen, Likör und Öl.

Ein Mitarbeiter von Böllersen bringt gerade Walnusssetzlinge in die Erde, damit sie gut über den Winter kommen. Zwischen 45 und 100 Euro kosten sie, je nach Sorte. Falls noch jemand ein nachhaltiges Weihnachtsgeschenk sucht.

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