Alltag der Flüchtlingskinder: Aus dem Lager in die Kita

Nur jedes fünfte Hamburger Flüchtlingskind geht in eine Kindertagesstätte. Eltern-Ausschuss fordert Willkommensgutschein, die Stadt zögert

Für viele Flüchtlinge sind die Hürden zu hoch: Laut Sozialbehörde hat nur die Hälfte der 400 Kinder einen Gutschein über fünf Stunden Bild: dpa

HAMBURG taz | In Hamburg leben viele Kleinkinder in Flüchtlingsheimen. Mehr als 2.000 Kinder im Alter von null bis sieben wohnen mit ihren Eltern in öffentlichen Unterkünften, die seit einiger Zeit an allen Ecken der Stadt errichtet werden. 540 von ihnen leben noch in den Erstaufnahmen, wo es eine notdürftig organisierte offene Betreuung am Vormittag gibt. Die übrigen 1.534 wohnen in den dezentralen Folgeunterkünften. Doch nur knapp 400 besuchen eine Kita.

Dass das so ist, liegt auch am komplizierten Zugang, kritisiert Hochschullehrerin Elke Alsago, die gerade mit Studierenden und Fachleuten eine Tagung zur Lage der Flüchtlingskinder in der Evangelischen Fachhochschule veranstaltete. Zwar haben Kinder, die eine feste Adresse haben, auch einen Rechtsanspruch auf eine täglich fünfstündige Betreuung. Doch Eltern müssen von sich aus zum Jugendamt gehen, dort einen „Gutschein“ beantragen, um sich mit dem dann eine Einrichtung zu suchen. Daran aber scheitern bereits deutschsprachige Eltern.

Hinzu kommt, dass Sammelunterkünfte keine guten Orte für Kinder sind, weil sie dort nicht zur Ruhe kommen. „Eine Katastrophe“, nennt sie gar der Flüchtlingsrat. Die Kinder bräuchten einen Ganztagsgutschein, der den Nachmittag mit einschließt. Laut Sozialbehörde hat nur die Hälfte der 400 Kinder einen Gutschein über fünf Stunden. Dass ein Kind in einer Unterkunft lebt, reiche nicht aus, um einen „sozial dringlichen Bedarf“ zu begründen, so Behördensprecher Marcel Schweitzer. Zu berücksichtigen sei die „individuelle Situation des Kindes“.

Konkret brauchen die Kinder ein Gutachten, welches den Bedarf belegt. Janina Seifert ist Leiterin der Kita-Berzeliusstraße, die direkt neben einer neuen Container-Unterkunft liegt. Sie habe seit Januar über ein Dutzend Kinder aufgenommen. „Ein Kind, dass in der Wohnunterkunft lebt, bekommt in der Regel diesen Gutschein“, erklärt sie. Doch die ganze Papierarbeit bleibe an der Kita-Leitung hängen. „Eine Vereinfachung wäre schon toll.“

Eine Idee dafür hat der Landeselternausschuss (LEA): Die Eltern sollten schon in der Unterkunft einen „Willkommensgutschein“ erhalten, mit dem ein Kind erst mal in die Kita kann. So würden die Eltern ermutigt und die Kitas entlastet, sagt Christian Dietz von der Flüchtlings-AG des LEA. Freilich gebe es aber noch mehr Probleme. Es fehle auch beim Unterkunftsbetreiber „Fördern & Wohnen“ ein Überblick, wo Kinder wohnen, damit sich Kitas im Umfeld auf sie einstellen können.

Auch die Sozialbehörde sieht Handlungsbedarf. Für die Lebenschancen von Kindern aus Flüchtlings- und Zuwandererfamilien sei es wichtig, „Bildungsangebote möglichst früh in Anspruch zu nehmen“, so Schweitzer. Ein „Willkommensgutschein“ ohne Antrag der Eltern sei aber nach gültigem Recht unzulässig. Auch ergäbe sich das Problem einer „Ungleichbehandlung“ gegenüber anderen.

Gegenwärtig werbe „Fördern & Wohnen“ mit mehrsprachigen Flyern für die Chancen der Kitas. Bei Interesse würden Jugendämtern Familien bei der Platzsuche unterstützen. Darüber hinaus erwäge man ein „Lotsenprojekt“ für Flüchtlingsfamilien. Eine Idee, die von Studierenden an die Behörde herangetragen wurde.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.