Amazon-Serie „Expats“ mit Nicole Kidman: Gemeinsam einsam

Die Amazon-Serie „Expats“ erzählt von drei höchst unterschiedlichen US-Auswandererinnen in Hongkong. Ihr Verlorensein verbindet sie.

Eine Frau - Nicole Kidman - sitzt mit einer anderen Frau, die einen Bademantel trägt, auf einem Sofa

Szene aus der Serie „Expats“ mit Nicole Kidman (r.) Foto: Prime Video/ap

Wie Entwurzelung aussehen kann, zeigt „Expats“, die neue Miniserie von Lulu Wang mit Nicole Kidman in der Hauptrolle, mehr als alles andere. Die Literaturverfilmung des Beststellers „The Expatrians“ von Janice Y. K. Lee porträtiert drei amerikanische Frauen in Hongkong, die trotz völliger unterschiedlicher Lebenswirklichkeiten das Erleben von absoluter Heimat- und Haltlosigkeit vereint.

Margaret (Nicole Kidman) verzweifelt an ihrer Rolle als „Expat-Wife“, die durch die Auswanderung beruflich jeden Anschluss verloren hat und gleichzeitig ihre Relevanz als Mutter schwinden sieht. Lieber lassen sich die Kinder von der weniger strengen Haushälterin ins Bett bringen und bekochen. Mit „klaren Grenzen“ für die Haushälterin will Margaret dagegen vorgehen und weiß gleichzeitig, dass sie damit einen Kampf gegen Windmühlen beginnt.

Margarets engste Vertraute und Nachbarin Hilary (Sarayu Blue) sieht sich mit einem Ehemann konfrontiert, der plötzlich doch Kinder will, und findet sich in Waisenhäusern mit Kleinkindern auf dem Arm wieder, bemüht, Mutterliebe zu empfinden, und erschüttert darüber, dass sie nicht „wie andere Frauen“ auf große Augen und kleine Händchen reagiert.

Beide Frauen leben in einem Milieu amerikanischer Auswanderer, „Expats“, die am Wochenende auf Yachten Weißwein trinken, „Ketchup auf ihr Ramen tun“ und sich von einem Dienststab chinesischer Angestellter das Leben so reibungslos wie möglich gestalten lassen. „Wir haben das verdient“, sagt Margarets Ehemann mit seinen Händen in ihrem Haar. „Es ist nicht das echte Leben“, erwidert Margaret und hat recht damit.

Menschen zweiter Klasse

Einheimische Chauffeure sitzen abrufbereit in der Tiefgarage, einheimische Haushälterinnen halten den eisgekühlten Tee schon in der Hand, wenn die Haustür aufgeht. „Du musst streng mit ihnen reden, sonst verstehen sie das nicht“, erklärt eine amerikanische Freundin Margaret. Die schüttelt lächelnd den Kopf und hängt längstmöglich dem Glauben nach, ihre Haushälterin sei eigentlich Familie.

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Nur dass sie das natürlich nicht ist. Dass Chauffeure und Köchinnen besser von Untreue, durchweinten Nächten und gebrochenen Abstinenzbeteuerungen wissen als der eigene Ehepartner, will dabei niemand wahrhaben. So sehr ist Margaret schließlich in einer binären Logik von Amerikanern, die Häppchen essen, und chinesischem Dienstpersonal, das ihnen die Häppchen reicht, gefangen, dass sie im Supermarkt einen anderen chinesischen Kunden bittet, ihr Maissirup zu suchen.

Mercy (Ji-Young Yoo) schließlich, amerikanisch-koreanisch und eine der Frauen, die Margaret und Hilary Häppchen anreicht, schlittert in das Leben der beiden Frauen hinein und hinterlässt ein Erdbeben, das all die Convenience zur Kraterlandschaft werden lässt. Sie brauche einen Neubeginn und sei deshalb in Hongkong, erklärt sie Margaret. „Mit 24?“, fragt Letztere lachend. Dass Jugend nicht vor Aussichtslosigkeit schützt, ist dabei aus jedem Gesichtsausdruck Mercys zu lesen.

Emotionale Brutalität

So sind die Themen von „Expats“ nichts wirklich Neues im Darstellen weiblicher Biografien: die Entscheidung gegen Mutterschaft als nicht zu verbalisierendes Tabu, die Aufgabe der eigenen Identität zugunsten des Ehemannes, das Entgleiten der eigenen Kinder, der Versuch eines Klassenaufstiegs, der nicht gelingt, weil neues Wissen nicht mit altem Geld konkurrieren kann. Die Verwebung dieser Frauenbiografien allerdings, bei der Schuldfragen völlig in den Hintergrund rücken, ist ebenso herausragend wie Kameraperspektiven, die mit Szenen provozieren, deren emotionale Brutalität kaum auszuhalten ist.

Nicole Kidman macht sich mit „Expats“ nach „The Undoing“ und „Big Little Lies“ endgültig zum Serienphänomen des weiblich perspektivierten Dramas, das Frauen zwischen angepasster Pflichterfüllung und Umgang mit plötzlich hereinbrechenden Katastrophen umkreist. Wenn sie in „Expats“ in einer heimlich gemieteten Wohnung Böden schrubbt und sich Tränen und Putzwasser vermischen, dann fragt „Expats“ vor allem, was gutes Leben ist – und wie viel Bequemlichkeit wirklich damit zu tun hat.

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