Amerikaner in Berlin: Die zersplitterten Staaten von Berlin

Einst war Zehlendorf eine Art Klein-Amerika. Dann zogen die GIs ab. Die verbliebenen US-Amerikaner in Berlin leben weit verstreut und treffen sich höchstens auf Festen, wie heute zur Einweihung der US-Botschaft.

Iris Mückner steht hinter dem Tresen ihres Imbisses und schneidet Wurst. Dann peppt sie die Stücke mit Curry und Ketchup auf. "Die amerikanischen Soldaten haben meine Currywurst geliebt", sagt sie, während sie sich die fettigen Finger an der Schürze abwischt. Mückner erinnert sich gern an die Zeit, als auf der Clayallee noch die Panzer rollten. "Die Soldaten hielten nicht nur den Bezirk, sondern auch mein Geschäft am Leben", sagt die gelernte Frieseurin, die den Zehlendorfer Imbiss 1992 übernahm - zwei Jahre bevor die GIs abgezogen wurden. "Manchmal haben die hier aber auch gesoffen. Dann gabs immer Hiebe von den Vorgesetzten", erzählt Mückner, die schon immer in Rudow lebt, mit einem Lachen. Die Unannehmlichkeiten seien aber nicht so schlimm gewesen, dafür war ja immerhin was los. Am Tisch vor dem Tresen sitzen ein paar Mittvierziger und essen Pommes. Mückner kennt sie. "Das ist die heutige Stammkundschaft", sagt sie.

Ihr Imbiss befindet sich an der U-Bahn-Station Oskar-Helene-Heim - im Herz des US-amerikanischen Berlins. Daneben kreuzt die Argentinische Allee die Clayallee. Nördlich der Kreuzung befindet sich bis heute das US-Konsulat. Major Richard Simmons sitzt im Garten des Restaurants "La Villa" nebenan. Der 61-Jährige - graue Haare, gestreiftes Hemd - blieb in der Stadt, als seine Truppe 1994 die Säcke schnürte. Er hatte in Berlin lange zuvor eine Familie gegründet: 1975 hatte er die Berlinerin Irene Purwin geheiratet. Die beiden haben einen Sohn und eine Tochter. Letztere lebt seit 2003 in den Staaten, in der Nähe von Portland. So schließt sich der Kreis.

Simmons dagegen wohnt am Nordrand von Tegel, arbeitet als Schausteller und besitzt ein Haus mit Hund. Mit seinen ehemaligen Landsleuten habe er nicht mehr viel zu tun: "Da muss ich auch nicht unbedingt sein. Außerdem lässt mir meine Arbeit keine Zeit, mich mit Amerikanern zu treffen." Simmons besitzt eine Ball-Schießbude und ein Festzelt, die er vermietet oder mit denen er selbst an Festen teilnimmt.

Schon zu seiner Armeezeit war er bemüht, Kontakt mit den Deutschen zu vermitteln. Damals hätten 14.000 Amerikaner, davon 9.000 GIs, im Südwesten der Stadt gelebt. Da der Stützpunkt, die Schulen und die Wohnblocks nah beieinander lagen, habe sich eine amerikanische Community herausgebildet, die ihren amerikanischen Lebensstil in Berlin fortgeführt habe. Das erschwerte den Kontakt zu den Berlinern, berichtet Simmons. "Ich wollte nicht als Besetzer und Besucher wahrgenommen werden." Seine Truppe sollte das auch nicht. Der Major brachte den Jungs Deutsch bei und fuhr sie auf den Kudamm, wo er sie aussetzte. "Sie sollten mit Hilfe der Deutschen nach Hause gelangen."

Auch heute bemüht sich Simmons um die Freundschaft zwischen beiden Ländern. Seit 1987 organisiert er das Deutsch-Amerikanische Volksfest, das in diesem Jahr ab dem 25. Juli an der Clayallee stattfindet und rund 500.000 Menschen anzieht. Bei feierlichen Anlässen dieser Art würden sich die meisten der offiziell 12.500 in Berlin lebenden US-Amerikaner treffen. Auch am 4. Juli, wenn die neue US-Botschaft eingeweiht wird, sind Amerikaner wie Simmons eingeladen, mit Altpräsident George Bush zu feiern (siehe Text unten). Ansonsten lebe man aber in der Stadt verteilt nebeneinander her und würde sich in kleinen Stammtischen, Clubs oder Gruppen treffen, sagt Simmons.

Eine dieser Gruppen ist die Gemeinde der American Church Berlin von Pastor Ben Coltvet. Die Kirche zog Ende 2002 von der Zehlendorfer Eiche nach Schöneberg - "in das Herz der Stadt", wie Coltvet sagt. Im Sommer desselben Jahres hat der 63-jährige Geistliche aus Iowa die Gemeinde übernommen. In seinem Büro erklärt der bärtige Pastor: "Unsere Kirche ist ein Anlaufpunkt für gläubige Amerikaner, aber auch für Menschen aus anderen Ländern." 380 Mitglieder zähle seine Gemeinde, jeder Fünfte sei US-Amerikaner. Die Kirche existiert seit 1856, ist lutherisch, Coltvet hält die Gottesdienste auf Englisch ab.

Früher sei die Armee ein wichtiges Bindeglied gewesen, sagt er. Die US-Amerikaner, die heute seine Gemeinde besuchten, seien Geschäftsleute, Mitarbeiter der Botschaft oder Künstler. Sie würden in unterschiedlichen Teilen der Stadt leben, was eine "American Community" wie zu Mauerzeiten unmöglich mache. Jeder Zugezogene würde außerdem in die Nähe seiner Arbeitsstätte ziehen, nur für ein paar Jahre bleiben und sich mit den Nachbarn anfreunden oder Hobbys nachgehen.

So wie Western Bonime. Wie viele Künstler zog es sie der Szene wegen nach Prenzlauer Berg. "Das Leben hier ist billig, wodurch ich nicht irgendwelche Jobs annehmen muss", erzählt sie, während sie an einem Kaffee nippt. Vorher wohnte die lebendige Amerikanerin in Brooklyn. Die Routine und der Wunsch nach kreativer Freiheit trieb sie nach Europa. Derzeit entwirft sie Kleidung für eine amerikanische Modeagentur und trifft sich viel mit Künstlern und Designern aus der Stadt. Diese seien größtenteils Deutsche, aber auch Amerikaner. "Ich mag deutsche Menschen sehr", sagt sie. Hätte sie nur mit Amerikanern verkehren wollen, wäre sie in den Staaten geblieben.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.