Angelscheinpflicht in Bremen: Lizenz zum Töten

Seit fast 500 Jahre gilt das sogenannte „Stockangelrecht“ in Bremen. Nun debattiert es als letztes Bundesland über die Angelscheinpflicht.

Silhouetten von zwei Anglern bei Sonnenuntergang

Auch mal an den Tierschutz denken Foto: Michael Schick/imago

In Bremen wird demnächst ein Gesetz abgeschafft, das seit dem Jahr 1541 Bestand hat. Es erlaubt das Angeln in Weser und Lesum ohne Angelschein, also ohne den Nachweis, dass man weiß, welche Fische überhaupt gefangen werden dürfen, welche nur außerhalb der Schonzeiten, und wie man sie so tötet, dass sie nur ein bisschen leiden, wenn sie an einem Haken im Maul aus dem Wasser gezogen werden und danach in der Luft hängen, ohne selbst welche zu bekommen.

Ein solches Gesetz gibt es nur in Bremen, eine der vielen Vogeligkeiten im kleinsten Bundesland, auf die manche so stolz sind wie auf den örtlichen Fußballverein. In allen anderen Bundesländern geht dem Grundsatz nach nichts ohne Angelschein. Nichts Legales jedenfalls.

Fast 500 Jahre hat dieses sogenannte „Stockangelrecht“ niemand angetastet, bis … ja, bis Philipp Bruck 2019 für die Grünen in die Bremische Bürgerschaft gewählt wurde, ein Ingenieur mit einer Leidenschaft für Klima-, Arten- und Naturschutz, die ihresgleichen sucht.

Gegen das Positionspapier, das der 34-Jährige vor zwei Jahren veröffentlichte, war etwa das Grüne Veggieday-Desaster vor der Bundestageswahl 2013 Pipifax. Denn darin forderte er nicht bloß eine Umkehr zur fleischlosen Ernährung, sondern zum Veganismus. Und das nicht einmal die Woche und nur in öffentlichen Kantinen. Nein, er wollte sogar der jährlichen Kirmes „Freimarkt“ vorschreiben, die Hälfte aller Fressbuden mit veganem Essen zu bestücken.

Möglichst geräuschlos rumregieren

Klima-, Arten- und Tierschutz hätten davon gleichermaßen profitiert, aber das war mit der Bremer SPD nicht zu machen, deren Devise lautet, bloß niemand verprellen und möglichst geräuschlos rumregieren. Und auf gar keinen Fall heilige Bremer Traditionskühe antasten – erst wenn der öffentliche Druck groß genug ist, wie beim seit 1545 bestehenden Schaffermahl, einem mehrgängigen Fressgelage, zu dem erst seit 2015 Frauen zugelassen sind.

Auch an das freie Angeln für freie Bürger wollten die Bremer Sozen nicht so recht ran, dabei stand doch schon 2019 im Koalitionsvertrag zwischen SPD, Linken und Grünen, sie „strebten an, dass nur Personen angeln können, die über ausreichende Sachkunde verfügen“. Aber so strebsam waren die So­zi­al­de­mo­kra­t:in­nen dann wohl nicht und Philipp Bruck unternahm jetzt einen neuen Anlauf.

Und tatsächlich hat das Landesparlament nun ein Gesetz in erster Lesung verabschiedet, das diese Bremensie für nichtig erklärt. Erst mal ohne Debatte, die kommt dann in der nächsten Sitzung voraussichtlich im April. Eine große Kontroverse ist nicht zu erwarten, zumal ein großer Teil der Stockangler aus Russland stammen soll, und Rus­s:in­nen in Deutschland gerade nicht die größten Sympathien genießen, egal ob sie mit Putin angeln gehen würden oder nicht.

Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.

Die organisierten Bremer Ang­le­r:in­nen finden es gut, dass dem wilden Treiben ein Ende bereitet ist. „Fische sind Lebewesen, die man richtig töten muss“, sagte Rolf Libertin der taz, er ist Vizepräsident des Landesfischereiverbands mit seinen in 18 Vereinen organisierten 6.000 Mitgliedern. Richtig töten gehe so: Mit einem Schlag auf den Kopf betäuben und dann einen Stich ins Herz oder einen Schnitt unterhalb des Kiemendeckels.

Man könnte sagen, es gibt Wichtigeres als so ein olles Gesetz, und dass ein Angelschein weder Tierleid verhindert noch das Einhalten von Schonzeiten garantiert. Oder man macht es wie Philipp Bruck und ist sich nicht zu fein für kleine Schritte. An denen lässt sich nämlich lernen, dass nichts so bleiben muss, wie es immer schon war. Eine Lektion für alle, die glauben, das Abendland gehe unter, wenn sie etwa nicht mehr täglich Fleisch essen dürfen.

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Seit 2003 bei der taz als Redakteurin. Themenschwerpunkte: Soziales, Gender, Gesundheit. M.A. Kulturwissenschaft (Univ. Bremen), MSc Women's Studies (Univ. of Bristol); Alumna Heinrich-Böll-Stiftung; Ausbildung an der Evangelischen Journalistenschule in Berlin; Lehrbeauftragte an der Univ. Bremen; in Weiterbildung zur systemischen Beraterin.

Dieser Artikel stammt aus dem stadtland-Teil der taz am Wochenende, der maßgeblich von den Lokalredaktionen der taz in Berlin, Hamburg und Bremen verantwortet wird.

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