Antisemitischer Übergriff in Dagestan: Der Kreml erntet, was er sät

Die antijüdische Krawalle an einem Flughafen im Nordkaukasus sind alles andere als ein Zufall. Der Kreml pflegt schon lange antisemitische Diskurse.

Eine Menschenmenge drängt sich vor dem Eingang des Flughafens in Dagestan, ein Mann schwingt eine große palästinensische Flagge

Sturm auf den Flughafen in Machatschkala, Dagestan am Sonntagabend Foto: Ramazan Rashidov/TASS/imago

BERLIN taz | Schön, dass Moskau die Verantwortlichen für die judenfeindlichen Krawalle auf dem Flughafen der dagestanischen Hauptstadt Machatschkala am Sonntag bereits so gut wie identifiziert hat: Schuld seien subversive Kräfte im Ausland, die die Situation in der Russischen Föderation destabilisieren wollten. Die Spur weist, wie könnte es anders sein, wieder einmal in die Ukraine.

Noch Fragen? Allerdings. Wie kann es sein, dass ein marodierender Mob einen Flughafen stürmt und fast unbehelligt bis auf das Rollfeld vordringt? Zumal Informationen über die Ankunft eines Flugzeuges aus Israel schon Stunden vorher durch die sozialen Netzwerke gegeistert waren. Sollte die Zurückhaltung der Sicherheitskräfte wirklich ein Zufall gewesen sein?

Wie dem auch sei: Angesichts seines Balanceaktes zwischen Israel und der Hamas kann der Kreml derartige Gewaltausbrüche nicht gebrauchen. Hatte Wladimir Putin nicht erst vor Kurzem bei einem Treffen mit Vertretern unterschiedlicher Religionen deren friedliches und gedeihliches Miteinander in Russland beschworen?

Gleichzeitig ist ein antisemitischer Diskurs fester Bestandteil des Kreml-Narrativs, wenn es darum geht, den Krieg gegen die Ukraine zu rechtfertigen. Dass der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski, selbst jüdischer Herkunft, ein Erfüllungsgehilfe des Westens und eine Schande für das jüdische Volk sei, gehört noch zu den harmloseren Äußerungen.

Doch die russische Führung erntet auch noch an anderer Stelle, was sie gesät hat. So sind vor allem die muslimischen Teilrepubliken im Nordkaukasus, zu denen auch Dagestan gehört, durch Armut und Perspektivlosigkeit für die junge Generation gekennzeichnet.

Gerade auch aus diesen Regionen stammen viele Soldaten, die im Ukraine­krieg verheizt werden und nicht lebend zurückkommen. Aus der Vergangenheit wissen wir, dass die Lunte im Nordkaukasus kurz ist. Wenn sie Feuer fängt, könnte daraus sehr schnell ein Flächenbrand werden.

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Geboren 1964, ist seit 1995 Osteuropa-Redakteurin der taz und seit 2011 eine der beiden Chefs der Auslandsredaktion. Sie hat Slawistik und Politikwissenschaft in Hamburg, Paris und St. Petersburg sowie Medien und interkulturelle Kommunikation in Frankfurt/Oder und Sofia studiert. Sie schreibt hin und wieder für das Journal von amnesty international. Bislang meidet sie Facebook und Twitter und weiß auch warum.

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