Arbeit statt Strafe: Rückschritte im Senat

2021 hatte sich die rot-rot-grüne Regierung auf neue Regeln für Ersatzfreiheitsstrafen geeinigt. Diese werden nun von Senatorin Badenberg torpediert.

Das Bild zeigt die JVA Tegel

Kri­ti­ke­r*in­nen befüchten, dass künftig mehr Menschen ihre Ersatzfreiheitsstrafe aussitzen werden Foto: Imago/Jürgen Ritter

Besonders viel bekommt man von Justizsenatorin Felor Badenberg (parteilos, für CDU) nicht mit. Und wenn man dann doch mal etwas von ihr hört, sind es vor allem rückschrittliche Vorschläge. Vorschläge, die wirklich niemandem von Nutzen sind – wie jetzt die Verschärfung der Regeln für gemeinnützige Arbeit bei Ersatzfreiheitsstraflern. Diese müssen nun länger schuften, wenn sie ihre Haftdauer verkürzen wollen.

Die Verschärfung trifft Menschen, die häufig schon genug Probleme haben dürften. Menschen, die in der sogenannten Ersatzhaft landen, weil sie aufgrund ihrer finanziellen, psychischen oder Wohnungssituation nicht in der Lage sind, die Bußgelder zu bezahlen. Die Dauer einer Ersatzfreiheitsstrafe richtet sich nach der Anzahl der Tagessätze, zu denen Betroffene verurteilt werden. Bis Januar entsprach ein Tagessatz einem Tag Haft.

Diese Regelung wurde im Februar allerdings entschärft, ein Tagessatz entspricht nun einem halben Hafttag. Betroffene können diese Zeit weiter verkürzen, indem sie arbeiten, 4 Stunden pro Tag waren es bislang in Berlin. Der rot-rot-grüne Vorgängersenat hatte sich 2021 auf diese Stundenzahl geeinigt, da die Betroffenen aufgrund psychischer oder Suchterkrankungen oft nicht länger am Stück arbeiten können.

„Rolle rückwärts im Senat“

Justizsenatorin Badenberg will nun auf 6 Stunden aufstocken. So soll vermieden werden, dass Berliner Ersatzfreiheitsstrafler „doppelt begünstigt“ werden. In diesem Kontext überhaupt von einer Begünstigung zu reden, ist eine Frechheit. Nicht nur Linke und Grüne sind entsetzt und sprechen von einer „Rolle rückwärts im Senat“. Kri­ti­ke­r*in­nen befürchten, dass nun wieder mehr Personen ihre Haftstrafe einfach aussitzen werden, da das Programm „Arbeit statt Strafe“ für sie nicht mehr realisierbar scheint.

Die Verschärfung trifft vor allem Personen, die in unserer Gesellschaft ohnehin schon benachteiligt werden. Das letzte, was sie brauchen, ist eine Gefängnisstrafe. Statt nun also die Stundenzahl der Arbeitstage zu erhöhen, sollte man vielmehr in soziale Hilfsangebote investieren, um die Ersatzfreiheitsstrafler zu unterstützen.

Hinzu kommt, dass die Kosten für die Unterbringung in Haft die ursprünglich verhängten Geldstrafen weit übersteigen. Die einzige noch mögliche Erklärung, die Ersatzhaft trotzdem beizubehalten, wäre die Hoffnung auf einen in Haft einsetzenden Lerneffekt.

Stellt sich bloß die Frage, wie der bei Personen aussehen soll, die ohne Ticket fahren, weil sie es sich nicht leisten können. Wäre der Lerneffekt hier die Erkenntnis, einfach nicht arm zu sein? Wie man es dreht und wendet: die neue Verschärfung, vom Senat liebevoll Tilgungsverordnung genannt, bleibt bestenfalls zweifelhaft und zeugt schlimmstenfalls von Menschenfeindlichkeit.

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