Arbeitnehmerrechte im Wahlkampf: Wie Europa sozialer werden kann

Die Gewerkschaften machen sich im Wahlkampf für soziale Rechte in Europa stark. Bei den drei linken deutschen Parteien finden sie Verbündete.

Soziale Grundrechte sollen in der EU Vorrang vor den Rechten der Wirtschaft haben. Bild: dpa

BERLIN taz | Die Gewerkschaften wollen mit den drei großen linken deutschen Parteien mehr soziale Rechte in Europa durchsetzen. Am Dienstag präsentierte der Deutsche Gewerkschaftsbund zusammen mit der Linkspartei in Berlin ein entsprechendes Papier. Zuvor hatte der DGB ähnliche Dokumente zusammen mit Grünen und SPD veröffentlicht.

Drei Dinge wollen die Gewerkschaften mit den Parteien nach der Europawahl am Wochenende erreichen: Erstens sollen soziale Grundrechte in der EU stets Vorrang vor den Rechten der Wirtschaft haben. Dazu müssten die Europäischen Verträge um eine sogenannte soziale Fortschrittsklausel ergänzt werden. Zweitens sollen künftig alle Arbeitnehmer an einem Ort in der EU tatsächlich gleich bezahlt werden. Wenn ein tschechisches Bauunternehmen Arbeiter nach Kassel schickt, dann müssten diese laut EU-Entsenderichtlinie dort genauso bezahlt werden wie die deutschen Kollegen. Die Richtlinie sollte ursprünglich nur einen Mindestschutz garantieren, den die einzelnen Mitgliedstaaten erweitern können. Urteile des Europäischen Gerichtshofs zeigen jedoch, dass dieser die Richtlinie als Maximalnorm betrachtet und deshalb jegliche Verbesserung ablehnt.

Drittens haben die drei Parteien mit den Gewerkschaften vereinbart, nur EU-Kommissare und einen Kommissionspräsidenten zu wählen, die sich klar zum Vorrang sozialer Rechte vor Wirtschaftsrechten bekennen.

Der Grund für den Pakt waren unter anderem mehrere Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) in jüngster Zeit. In diesen Urteile stellt das Gericht die Freiheit des Marktes über die Rechte von Arbeitnehmern.

Ein Beispiel dafür ist das Viking-Urteil. Die finnische Viking-Reederei wollte ein Schiff nur mit billigen estnischen Seeleuten bemannen. Eine finnische und eine internationale Gewerkschaft riefen zu Streiks auf. Der EuGH entschied, die Proteste seien nur unter sehr strengen Auflagen zulässig. In einem anderen Fall wollte das Land Niedersachsen bei der Vergabe eines öffentlichen Auftrages Tariflöhne vorschreiben. Die Richter wiesen das im April 2008 zurück, weil der Tarifvertrag in Deutschland keine Allgemeingültigkeit habe. "Die Versammlungsfreiheit ist ein elementares Grundrecht unserer Verfassung", sagte Frank Bsirske, Vorsitzender der Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di, am Dienstag in Berlin. "Es kann nicht sein, dass es von der europäischen Rechtsprechung beschnitten wird." Deswegen müsse man das EU-Recht entsprechend ändern, meinte DGB-Chef Michael Sommer.

Beide Gewerkschafter betonten angesichts der nahen Wahl, sie wollten keine Werbung für die Linkspartei machen. Sie forderten Unionsparteien und FDP vielmehr auf, noch vor dem Wochenende ähnliche Erklärungen zusammen mit den Gewerkschaften abzugeben.

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