Arbeitnehmerrechte in Frankreich: Staat will Fabriken offen halten
Unternehmen sollen profitable Standorte in Frankreich nicht mehr schließen dürfen. So jedenfalls will es die Regierung in Paris und plant ein entsprechendes Gesetz.
BERLIN taz | Frankreich will die Schließung von profitablen Fabriken per Gesetz verhindern. Eine entsprechende Initiative hat der sozialistische Staatspräsident François Hollande am Montag am Rande der Eröffnung einer Bibliothek in einem Pariser Vorort angekündigt.
Die Regierung werde bis zum Sommer ein entsprechendes Gesetz auf den parlamentarischen Weg bringen, so Hollande. Unternehmen, die sich von profitablen Fabriken oder Werken trennen wollen, sollen verpflichtet werden, einen Käufer für diese zu suchen. Unklar ist allerdings noch, wie von wem festgestellt werden soll, ob ein Werk oder Werksteil tatsächlich profitabel ist.
Mit seiner Initiative will Hollande eines seiner Wahlversprechen erfüllen: Während des Wahlkampfes hatte sich der Sozialist dagegen ausgesprochen, dass Unternehmen, die Gewinne erzielen, Beschäftigte entlassen. Hollande geht mit seiner Initiative auch auf eine zentrale Forderung der Beschäftigten in der Industrie ein.
Am Dienstag kam es im nordfranzösischen Amiens wieder zu gewalttätigen Protesten von Arbeitern des Goodyear-Reifenwerkes, die sich dagegen wehrten, dass die Fabrik zugemacht werden soll. Betroffen wären davon etwa 1.200 Beschäftigte. Der US-Reifenproduzent will sich vom kriselnden Markt in Europa teilweise zurückziehen und hier beispielsweise keine Reifen mehr für landwirtschaftliche Fahrzeuge verkaufen. Jetzt teilte der Konzern mit, dass er in diesem Jahr mit einem Gewinn von 1,4 bis 1,5 Milliarden US-Dollar rechne; zuletzt war er noch von 1,6 Milliarden ausgegangen.
Heftiger Widerstand der Arbeitgeber
Hollande will sich nun an die Seite von Beschäftigten stellen, deren Betriebe bedroht sind. Der Staat müsse helfen, Käufer für gefährdete Standorte zu finden, sagte der Präsident. Dabei verwies er auch auf eine von Unternehmern und Gewerkschaften am 11. Januar getroffene Vereinbarung, die die Beschäftigung in kriselnden Betrieben sichern soll. Auch hier plane er Maßnahmen, die eine bestimmte Zahl von Entlassungen verteuern sollen. Die zunehmende Prekarisierung müsse deutlich besser bekämpft werden, als dies heute der Fall sei.
Im Arbeitgeberlager stoßen Holandes Pläne auf heftigen Widerstand. Die Unternehmer befürchten, dass der Standort Frankreich an Attraktivität für neue Investoren verliert. Ihr Argument: Werke würden in der Regel geschlossen, weil sie sich nicht lohnten.
Derweil verschlechtert sich die wirtschaftliche Lage Frankreichs weiter. Hollande kündigte am Dienstag an, die derzeitigen Wachstumsprognosen nach unten zu korrigieren. Es könne sein, dass dies schon in den nächsten Tagen nötig werde, sagte er.
Derzeit plant die französische Regierung noch mit einem Wirtschaftswachstum von 0,8 Prozent in diesem Jahr. Dieses Plus wäre die Voraussetzung, um das Haushaltsdefizit mit dem bisher vorgesehenen Budget auf 3 Prozent der französischen Wirtschaftsleistung zu drücken. Sollte das Wachstumsziel verfehlt werden, müsste die Regierung wohl zusätzliche Einsparungen durchsetzen, um die im Maastricht-Vertrag vorgesehene Euro-Defizitgrenze nicht zu überschreiten.
Leser*innenkommentare
Meier3
Gast
Armes Frankreich...
Es werden sich kaum Käufer für Werke in Frankreich finden. Ebenso wird es wohl auch keine neuen Werke geben. Ausnahme: Der Staat kauft/gründet selbst. DDR lässt grüßen.
guntherkummerlande
Gast
Das Gesetz scheint mir vernünftig zu sein,
wenn es von einen Bündel an Begleitgesetzen
gestützt wird.
So müßte sichergestellt werden, das die Finanziers
und Chefs dieser Firmen nicht systematisch
herausgemobbt werden können, um dann günstig
für einen Apfel und Ei, die Firma sich
unter dem Nagel zu reißen und die Besitzverhältnisse
durch Psychomobbing umzukehren.
Das würde in der Tat Investoren abschrecken
und einseitig sehr ungerecht empfunden werden.
Das Gleichgewicht zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer würde nun massiv zu Lasten der
Arbeitgeber verändert werden und das Drohpotential
der Gewerkschaften und damit auch der
Kollektivideologen wäre maximal. Im Zweifelsfall
übernehmen diese die Firma
oder anderes linkes Personal.
Ein Polit-Wirtschaftsfilz würde entstehen,
der extrem von den Hollandes Partei beherrscht
würde.
Die Grenzen zum
Kommunismus wären fließend. Die Tradition
der Familienunternehmen wäre gefährdet.
Es ist wesentlich besser eine solche Regelung
von Hollande ausschließlich für Aktienunternehmen
im mehrheitlichen Fremdbesitz ausländischer
Kapitalgeber einzugrenzen, um besser
vom "Heuschreckenkapitalisten" profitieren zu können.
Hollande begeht ebenso wie die Linke in Deutschland
einen gewaltigen Fehler, wenn Sie denkt
den risikobereiten Unternehmer, der für seine
Produkte lebt und für seine Firma gleichsetzen zu können mit den virtuellen Portfolioanlegern
einer globalisierten Anlegerschar. Das eine
ist harte, harte Arbeit und das andere ist
Risikobereitschaft! Es wäre sehr unchristlich
und moralisch verwerflich, diese beiden
auf eine gleiche Stufe zu setzen.
Hollandes jetziges Gesetz ist zwar mutig, so wie
es jetzt aber ist ungerecht, anmaßend und dumm.
Es negiert die Bedeutung des Individuums und
verkennt deren Bedeutung für den Fortschritt
der Menschheit vollständig.