Arbeitskampf: Gewerkschaft macht ernst

ARBEITSKAMPF Die Belegschaften vom Joghurtbecherhersteller Neupack in Hamburg und Rotenburg sind in den Erzwingungsstreik getreten. Sie fordern einen Haustarifvertrag.

Am Werkstor: die Forderung der Neupack-Angestellten. Bild: Kai von Appen

Die Industriegewerkschaft Bergbau Chemie und Energie (IG BCE) beschreitet für ihre Verhältnisse tarifpolitisches Neuland. Mit Beginn der Frühschicht sind die Belegschaften der Firma Neupack in Hamburg-Stellingen und Rotenburg an der Wümme in den unbefristeten Erzwingungsstreik getreten. Mit ihrem Arbeitskampf wollen die rund 200 Beschäftigten einen einheitlichen Haustarifvertrag durchsetzen, der den branchenüblichen Bedingungen gleichkommt. Zuvor hatten 89,7 Prozent der Gewerkschaftsmitglieder in einer Urabstimmung bei dem Lebensmittel-Verpackungshersteller für einen Arbeitskampf votiert.

Zu Streikbeginn am Donnerstagmorgen ging es gleich richtig zur Sache. In Rotenburg, wo 70 Mitarbeiter beschäftigt sind, fuhr ein Angestellter aus Hamburg einen Streikposten mit dem PKW an. „Das ist ein unverzeihlicher Vorfall“, sagt IG BCE Bezirksleiter Jan Eulen. „Zum Glück ist der Kollege nur leicht verletzt. Wir haben natürlich Strafanzeige gestellt.“ In Hamburg versuchten indes Arbeitswillige morgens sich mit Schubsen und Tritten den Weg durch die Posten der 50 Streikenden der Frühschicht zu bahnen. Aus dem Bürogebäude wurden die Streikenden gefilmt, so dass sich die Polizei zum Eingreifen genötigt sah.

Ein Jahr lang hatte die IG BCE nach eigenen Angaben mit den Inhabern der Firma vergeblich Gespräche über einen Tarifvertrag geführt. Diese Gespräche seien auch nur zustande gekommen, weil die IG BCE mit einem Streik gedroht habe. „Es stellte sich heraus, dass die Inhaber uns nur hinhalten wollten“, sagt IG BCE-Sekretär und Verhandlungsführer Rajko Pientka.

Überhaupt wird das Familien-Unternehmen mit einem Gewinn von 810.000 Euro im vergangenen Jahr von den Inhabern und Geschäftsführern Hajo Krüger und Jens Krüger sowie den Miteignern Mira Krüger und Lars Krüger laut der IG BCE nach Gutsherrenart geführt. „Viele Beschäftigte haben seit Jahren keine Lohnerhöhung mehr erhalten“, sagt Pientka, „für gleiche Arbeit werden unterschiedliche Stundenlöhne gezahlt und Urlaub und Zuschläge werden willkürlich gewährt.“ Bei vielen Beschäftigten liege das Einkommen, laut Pientka, „an der Grenze der Sittenwidrigkeit“, während einige Angestellte durchaus weit über Tarif bezahlt werden.

Auf einen Warnstreik vergangene Woche reagierten die Firmeninhaber mit Lohnkürzungen zwischen 200 und 400 Euro. „Auch dieses Verhalten zeigt wieder, wie die Geschäftsführung ihr Verhältnis zu Belegschaft interpretiert“, sagt Pientka. Dabei gebe es nicht den geringsten Hauch eines Unrechtsbewusstseins, sagt Pientka. „Die halten sich wirklich noch für ehrbare Kaufleute.“ Im Vorwege des Arbeitskampfs war zudem dem Betriebsratsvorsitzenden zwei Mal fristlos gekündigt worden. Das hatte das Arbeitsgericht beide Male für unwirksam erklärt.

Die IG BCE richtet sich auf eine lange Auseinandersetzung ein. „Das wird kein Spaziergang“, sagt Pientka der taz. Dabei hofft der Gewerkschafter, dass der Druck der Kunden auf das Unternehmen ein entscheidender Faktor werden könnte. Denn Neupack, die unter anderem Joghurt-, Quark- und Frischkäsebecher sowie Salatschalen für Molkereien und den Lebensmittel- und Verpackungsgroßhandel herstellen, hat im Norden nahezu eine Monopolstellung, große Firmen zählen zu ihren Kunden, so dass die Lagerbestände binnen einer Woche verbraucht sein könnten.

„Die Beschäftigten haben sich entschieden, so lange zu streiken, bis der Haustarifvertrag unterschrieben ist“, sagt Pientka, „und damit endlich die Führung dieses Unternehmen nach Gutsherrenart beendet ist.“ Die Geschäftsführung kündigte dem Betriebsrat an, am Montag eine polnische Leiharbeitsfirma einsetzen zu wollen. Die IG BCE versucht dies rechtlich zu unterbinden.

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