Der Franc ist allgegenwärtig

aus Paris DOROTHEA HAHN

Es sieht so aus, als gäbe es heute zum Euro nichts mehr zu sagen. Die Pariser Politiker, die zu seiner Einführung eine der aufwändigsten Werbekampagnen der Geschichte organisierten – Motto: „Der Euro macht uns stärker“ –, schweigen. Genauso wie jene, die das Ende der nationalen Unabhängigkeit voraussagten.

Die Medien, die monatelang kein wichtigeres Thema kannten, bringen heute allenfalls noch Kurzmeldungen über Umfragen zum neuen Geld: Nach der jüngsten „mögen“ 50 Prozent der Franzosen den Euro. Nach derselben „vermissen“ 62 Prozent den alten Franc. Und die Marktforscher behaupten wider jede Erfahrung im Supermarkt, dass die Teuerungsrate in diesem Jahr normal geblieben sei.

Unter der Oberfläche freilich brodelt es. Spätestens seit dem Sommer rechnen die Franzosen wieder in Francs. Besonders, wenn es um große Beträge – wie Löhne, Mieten, Reisekosten und Autos – geht. In den Hauptnachrichtensendungen übersetzen die Sprecher Geldmengen systematisch auch in Francs. Und die Preise für Lebensmittel sind sowohl in Euro als auch in Francs angegeben – obwohl die Doppelettikettierung ursprünglich nur bis zum Frühjahr vorgesehen war. Die Taschenrechner, als Hilfe bei der komplizierten Umrechnung von 6,55957 Francs zu einem Euro, benutzt heute dagegen kaum noch jemand.

In den Wahlkämpfen dieses Jahres, die kurz nach dem Währungswechsel stattfanden, haben nur jene Politiker den Euro zum Thema gemacht, die dagegen waren: die Rechtsextremen, die im Mai 20 Prozent der Stimmen erhielten, die Trotzkisten mit ihren zehn Prozent und die Souveränisten, die es auf 5 Prozent brachten. Die anderen, die den Euro eingeführt haben, vermieden das Thema. Im Wahlkampf des Sozialdemokraten Jospin und des Neogaullisten Chirac kam er nur ganz nebenbei und natürlich als „Erfolgsgeschichte“ vor. Dabei hatten beide Politiker einst auch Kritik am Euro. So versprach Chirac im Herbst 1994 ein Referendum „vor dem Eintritt in die dritte Phase der Währungsunion“. Und Jospin kritisierte den Stabilitätspakt heftig – bis er 1997 Regierungschef wurde und ihn unterschrieb.

Im Gegensatz zu ihren Politikern haben die Leute in Paris auf der Straße viel zum Euro zu sagen. Ein Polizist, Ende 30: „Was ich davon halte? Ganz einfach: nichts. Ich habe den Euro von vorneherein nicht gemocht. Ich hänge am Franc. Das ist unsere Geschichte. Unsere Souveränität. Daran hat dieses Jahr mit dem Euro nichts geändert.“

Eine Journalistin, Mitte 20: „Ich bin schon immer sehr europäisch gewesen. Deswegen fand ich auch den Euro von Anfang an gut. Inzwischen ist er mir selbstverständlich geworden. Über Nachteile habe ich nie nachgedacht. Aber da ich schlecht im Kopfrechnen bin, lass ich mir hohe Preise in Francs sagen.“

Ein Hähnchenbräter, Anfang 50: „Alles ist teurer geworden. Meine Lieferanten haben einen halben Euro auf jede Ware geschlagen. Am Monatsende kommt so einiges zusammen. Die haben uns verarscht. Ich habe das kommen sehen. Aber uns hat ja keiner gefragt.“