Abschied vom Dinosaurier

Die Kenianer nannten ihn Professor, Intrigant, Dinosaurier. Er regierte wie ein autoritärer Dorfvorsteher. Nach 24 Jahren tritt Daniel arap Moi ab

aus Nairobi ILONA EVELEENS

Es ist ein historischer Augenblick. 24 Jahre lang regierte Daniel arap Moi Kenia als Präsident und Führer der früheren Staatspartei KANU (Kenya African National Union), die das Land seit der Unabhängigkeit 1963 beherrscht. Bei den heutigen Wahlen tritt Moi nicht mehr an. Und aller Voraussicht nach wird auch Kanu die Macht verlieren. Ihr von Moi unterstützter Präsidentschaftskandidat Uhuru Kenyatta, Sohn des Staatsgründers Jomo Kenyatta, liegt in Umfragen bei etwa 21 Prozent. Die besten Chancen hat mit 68 Prozent Mwai Kibaki, gemeinsamer Kandidat von 15 Oppositionsparteien, die sich in der Allianz NARC (National Rainbow Coalition) zusammengeschlossen haben.

Der 78-jährige Moi ist kein aufgeklärter Führer – eher ein altmodischer Dorfvorsteher, der keinen Widerspruch duldet. Professor, Intrigant, Dinosaurier – so nennen ihn die Kenianer. Er tritt immer im maßgeschneiderten englischen Anzug auf, kerzengerade mit einer Rose im Revers und einem rungu in der Hand – einer Art Zepter aus Elfenbein und Silber. Sein Gesicht ist das einer Sphinx, emotionslos.

Als Moi 1978 nach elf Jahren Vizepräsidentschaft unter Kenyatta Staatschef wurde, schien ein frischer Wind durch Kenia zu wehen. Politische Gefangene wurden freigelassen, es gab Ansätze,die Korruption zu bekämpfen. Aber nach einem Putschversuch 1982 traute Moi keinem mehr. Politische Gegner, Journalisten und Intellektuelle wurden verhaftet. Folter wurden alltäglich, politische Morde häuften sich. Das Schreckensregime dauerte beinahe zehn Jahren – eine Zeit, in der der Westen Moi in Ruhe ließ, weil Kenia eine strategische Rolle als verlässlichster Verbündeter der USA in einer unruhigen Weltregion spielte. Aber nach dem Ende des Kommunismus verlangte die internationale Gemeinschaft von Moi Reformen. Unter in- und ausländischem Druck wurde Kenia 1991 ein Mehrparteienstaat.

Es wurde eine ganz besondere Art der Demokratie. Moi ersetzte finstere Repression durch eine Teile-und-herrsche-Politik. Durch Betrug und die Zersplitterung der Opposition gewann Moi die Mehrparteienwahlen von 1992 und 1997 ohne größere Probleme.

Ein brutaler Diktator ist Moi nicht gewesen, aber auch kein Demokrat. Für afrikanische Verhältnisse hat Kenia eine freie Presse, aber die Polizei scheut nicht davor zurück, Kritiker des Präsidenten zu verhaften oder zu misshandeln. Seit Moi 1978 an die Macht kam, sind die Kenianer um ein Fünftel ärmer geworden, die Arbeitslosigkeit ist auf über 25 Prozent gestiegen. Mit der Armut wächst die Kriminalität. Weite Teile des Landes sind unsicher wie ein Kriegsgebiet.

Mit der eigenen Nachfolge bewies Moi keine glückliche Hand. Der 42-jährige KANU-Kandidat Uhuru Kenyatta ist nett, aber unerfahren. Die alte, diskreditierte KANU-Clique kann ihn leicht benutzen. Seine Siegeshoffnung gründet er darauf, dass er dem Kikuyu-Volk angehört, der größten Ethnie Kenias. Die ist aber traditionell der Opposition zugeneigt, und auch Kenyattas wichtigster Gegner, der 71-jährige Mwai Kibaki, ist ein Kikuyu.

Kibaki hat für den Fall seines Wahlsiegs zwei Prioritäten angekündigt: die Wirtschaft aufzubauen und die Korruption mit voller Wucht anzugreifen. Aber Kenianer trauen Wahlumfragen nicht. KANU ist in Wahlbetrug geübt. Und selbst wenn die Opposition an die Macht kommt: Wird sich Kenia wirklich verändern? Schließlich besteht auch die Opposition aus vielen ehemaligen KANU-Politikern; Kibaki selbst war früher Vizepräsident und Finanzminister. Wer auch immer die Wahl gewinnt – in Kenias nächster Regierung sitzen Mois ehemalige Handlanger. Sie werden ihn kaum vor Gericht bringen. Moi kann ruhig schlafen.