Ist ein Lokführer an Bord?

Tragikomik im Heiligabendzug: Gefrorene beheizte Weichen, Hummer und keine Ersatzbus-Fahrer

BERLIN taz ■ Von dem Ort Kirchweyhe in Niedersachsen (nahe Uelzen) aus werden gerne historische Loks fotografiert. An Weihnachten hätten Eisenbahnfreunde dort Rührstücke filmen können: Im IC 2423 verbrüderten sich Reisende spontan zum Weihnachtsfest im Zug – denn der gehörte zu den vom Eisregen gestoppten Verkehrsmitteln.

Die Reisenden packten Weihnachtsschmankerl aus. Im IC 2423 wurde angeblich sogar Hummer geteilt. Genug Zuggäste waren zu verköstigen: IC 2423 hatte, ehe er liegen blieb, einen ausgefallenen Zug ersetzt.

Die Bahn wurde an Weihnachten vom Eis heimgesucht. Durch fingerdicke Eiskrusten auf den Oberleitungen gelangte kein Strom mehr in die Loks. Weichen froren ein – trotz Heizung. Züge mussten evakuiert werden. Im Raum Bremen und in Niedersachsen fuhren keine Züge mehr. Stundenlang standen voll besetzte Waggons auf freier Strecke. Zugführer warteten, wie üblich, mit tragikomischen Durchsagen auf. „Ist hier ein Lokführer an Bord?“, hieß es in einem Zug.

Manche Züge wurden erst gegen Mitternacht in den Bahnhof geschleppt. Der Euronight 491, der am Morgen des 1. Weihnachtsfeiertages Wien erreichen sollte, blieb bei Verden hängen. Dennoch fror nach Angaben der Bahn niemand im „Hans Albers“.

Ab heute soll der Zugverkehr wieder planmäßig funktionieren. Allenfalls würden ICs statt ICEs eingesetzt, so ein Bahnsprecher zur taz. Oder die erste Klasse fahre am Ende statt an der Spitze des Zuges. Denn die Dispatcher der Bahn haben noch nicht alle vagabundierenden Züge wieder da, wo sie hingehören. Was hat die Bahn daraus gelernt? Dass man gegen Wetter nur das Krisenmanagement verbessern kann. Oder nicht einmal das. Was machen Sie, fragte der Sprecher entnervt, wenn Sie Ersatzbusse finden, aber keine Fahrer, weil Heiligabend ist? „Sie kriegen den Zug nicht weg und die Reisenden nicht raus!“ CIF