Stichwahl in Litauen um Präsidentenamt

Amtsinhaber Valdas Adamkus entscheidet die erste Runde klar für sich. Gute Siegeschancen für den zweiten Durchgang

STOCKHOLM taz ■ Erst in einer Stichwahl am 5. Januar wird sich entscheiden, ob Litauens neuer Staatspräsident der alte sein wird. Bei den Wahlen am vergangenen Sonntag konnte Valdas Adamkus 35 Prozent der Stimmen gewinnen und lag damit klar vor seinem Herausforderer, dem populären Exministerpräsidenten Rolandas Paksas. Letzterer konnte mit 21 Prozent aber fast doppelt so gut abschneiden, wie von den Meinungsumfragen vorhergesagt. Trotzdem werden ihm für den zweiten Durchgang nur Außenseiterchancen eingeräumt. Insgesamt 17 KandidatInnen hatten für das Amt des Staatspräsidenten kandidiert, der in Litauen als Einzigem der baltischen Staaten direkt vom Volk gewählt wird.

Adamkus gilt als Mann der USA und des Westens in Litauen. Der ehemalige US-Staatsbürger übersiedelte nach seiner Pensionierung Anfang der 90er-Jahre aus Chicago in sein Geburtsland und startete dort schnell eine politische Karriere. Nicht zuletzt dank seiner guten Kontakte nach Washington stieg Litauen, das unter dem Exkommunisten Algirdas Brazauskas vorher vom Westen eher mit Misstrauen betrachtet wurde, schnell zum selbstverständlichen Kandidaten für eine Nato- und EU-Mitgliedschaft auf.

Als US-Präsident George W. Bush im November nach dem Nato-Gipfel in Prag ausgerechnet Vilnius besuchte, war auch dies kein Zufall, sondern wesentlich Adamkus geschuldet. Der nationalkonservative Präsident hatte weitgehend auf einen Wahlkampf verzichtet und sich darauf beschränkt, seine visionären Vorstellungen von einer Zukunft Litauens und Europas in den Vordergrund zu stellen.

So sieht er es als eine seiner zukünftigen Aufgaben an, auch der Ukraine den Weg hin zur EU zu öffnen, da „Europa ohne die Ukraine nicht vollständig“ sei. Im Gegensatz hierzu betonte sein rechtsliberaler Herausforderer Paksas in seiner Wahlkampagne Fragen, die dem Alltag der meisten LitauerInnen deutlich näher liegen. Trotz imponierender Wachstumsraten bei den wirtschaftlichen Kennzahlen und steigender Investitionen ausländischer Firmen wird Litauen von starken Einkommensklüften geprägt. Fast 30 Prozent der Bevölkerung lebt unter der offiziellen Armutsgrenze, die Renten und Pensionen reichen kaum zum Lebensunterhalt.

Der 46-jährige Paksas profilierte sich neben solchen Fragen als Kandidat einer ganz neuen Politikergeneration, die mehr die eigenen Interessen Litauens betonen will, welche seiner Auffassung nach – beispielsweise das Atomkraftwerk Ignalina, dessen Abschaltung bis zum Jahre 2009 man der EU als „Beitrittsgeschenk“ habe machen müssen – nicht automatisch mit den Forderungen des westlichen Auslands übereinstimmten. Paksas konnte damit sowohl EU-skeptische Stimmen sammeln als auch solche, die Litauen auf dem Weg sehen, „der 52. US-Bundesstaat“ zu werden.

Trotz seines Vorsprungs darf sich Adamkus für die Stichwahl nicht ganz sicher sein. Er selbst hatte bei den Wahlen vor fünf Jahren als Zweitplatzierter mit 28 Prozent den mit 45 Prozent klaren Sieger der ersten Wahlrunde, Arturas Paulauskas, doch noch geschlagen. Und die Wahlbeteiligung am Sonntag lag statt der erwarteten 70 bei nur 52 Prozent. REINHARD WOLFF