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: Der Würfel fällt in Niedersachsen

Schöner als die Unionspolitiker selbst hätte man gar nicht demonstrieren können, worin das strategische Dilemma der Opposition derzeit besteht. Da lehnt einerseits die CDU-Chefin Angela Merkel die Reformvorschläge schroff ab, die einige Strategen aus dem Kanzleramt für die Sozialsysteme erdacht haben. Und andererseits zeigt sich der CSU-Sozialexperte Horst Seehofer hoch erfreut über das Konzept, das doch wesentliche Teil des Unionsprogramms enthalte.

Kommentar von RALPH BOLLMANN

Der Konflikt beschränkt sich keinesfalls auf die Sozialpolitik. Von der Zuwanderung bis zum Arbeitsmarkt hat sich die Union noch nicht wirklich entschieden, ob sie vor den Wahlen in Hessen und Niedersachsen mit einer Strategie der Fundamentalopposition punkten will – oder ob sie die Regierung besser vor sich hertreiben kann, wenn sie die bevorstehenden Reformen konstruktiv begleitet. Nicht einmal der hessische CDU-Hardliner Roland Koch, der vorige Woche die große Übereinstimmung in der Zuwanderungsfrage rühmte, scheint sich da sicher zu sein.

Entschieden wird die Frage am 2. Februar: Gewinnt die Union nicht nur in Hessen erneut, sondern auch in Niedersachsen hinzu, dann gibt es für eine konstruktive Mitarbeit keinen Spielraum mehr. Mit einem derart überwältigenden Wahlsieg und einer erdrückenden Bundesratsmehrheit im Rücken werden die Hardliner unter den Christdemokraten nicht mehr zu bremsen sein – auch wenn sie ihren Triumph ironischerweise dem liberalen Parteifreund Christian Wulff in Hannover zu verdanken hätten. Der Sturz von Rot-Grün wäre in ihren Augen nur noch eine Frage der Zeit. Für einen Dialog gäbe es keinen Grund mehr.

Kann sich Niedersachsens SPD-Ministerpräsident Sigmar Gabriel dagegen halten, wird sich die Union wohl oder übel mit ihrer Oppositionsrolle bis zum Jahr 2006 abfinden müssen. Auch den meisten Christdemokraten ist klar, dass sich über einen derart langen Zeitraum eine kompromisslose Blockadepolitik nicht durchhalten lässt. An einer konstruktiven Zusammenarbeit in Bundesrat und Vermittlungsausschuss führt dann kein Weg vorbei.

Schon einmal haben die knapp acht Millionen Niedersachsen eine entscheidende Weiche für die Bundespolitik gestellt, als sie Gerhard Schröder 1998 mit ihrem Votum zum Kanzlerkandidaten machten. Knapp fünf Jahre später halten sie schon wieder einen wichtigen Hebel für die Zukunft des Landes in der Hand.

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