Milli Görüs: Innenbehörde lügt

Die von der CDU angegriffene Vereinigung wehrt sich und fragt nach konkreten Belegen: Was wirft der Innensenator den Bremer Milli Görüs-Moscheen genau vor?

„Die Innenbehörde und der Verfassungsschutz können offensichtlich nicht bis zehn zählen.“ So scharf und eindeutig ist Abdulkerim Sari, der Sprecher der Islamischen Föderation Bremen (IFB), jetzt der Kampagne von CDU und Innenressort gegen die Vereinigung Milli Görüs entgegengetreten. „Innenbehörde lügt“, steht über der Erklärung.

Seit Wochen torpediert die CDU den Bremer Bürgermeister Henning Scherf (SPD) wegen der Islam-Woche und seiner Bereitschaft, auch in der Fatih-Moschee mit Muslimen zu sprechen. Diese Moschee, die die prächtigste unter den bremischen muslimischen Gotteshäusern ist, wird Milli Görüs zugeordnet.

Aus Sicht Saris eignet sich dieses Thema weder für Geheimniskrämerei, noch für den Verfassungsschutz. „Die Innenbehörde behauptet, dass in Bremen acht Moscheen zu Milli Görüs gehören. Das ist schlichtweg falsch“, sagt er. „In der Stadt Bremen gibt es sechs Moscheen, zusammen mit Bremerhaven sind es sieben.“ Man sei gerne bereit, dem Verfassungsschutz „beim Zusammenzählen zu helfen.“ Denn bei der Zahl der Mitglieder habe er zu wenig gezählt: Die Mitgliederzahlen der Milli Görüs Moscheen in Bremen gingen weit über die vom Verfassungsschutz genannten 900 hinaus.

„Kein einziger dieser Menschen, die Mitglied in den Bremer Milli Görüs Moscheen sind, ist bisher in irgendeiner Weise negativ aufgefallen“, sagt Sari. Viele lebten seit 40 Jahren hier, viele seien in Bremen geboren. „Ihre Loyalität zu dieser Gesellschaft und ihrer demokratischen Verfassung ist kein bloßes Lippenbekenntnis, sondern durch die Lebensrealität bestätigt.“

Das ist der Punkt. Der Bremer Innensenator Kuno Böse musste am Sonntag in einem Weser Report-Interview einräumen, dass es keinerlei verfassungsfeindliche Handlungsweisen gibt, die den hiesigen Milli Görüs-Anhängern vorzuwerfen wären. Alles, was der Verfassungsschutz hat, ist ein Spitzelbericht, nach dem irgend jemand in der Fatih Moschee nach dem Anschlag des 11. September klammheimliche Freude geäußert haben soll. Eine seriöse Bewertung müsste klären, ob nicht Rivalitäten innerhalb der islamischen Community über deutsche Geheimdienste ausgetragen werden.

Am vergangenen Freitag hat der CDU-Fraktionsvorsitzende Jens Eckhoff versucht, Beweismaterial für die Kampagne gegen Bürgermeister Henning Scherf (SPD) nachzuliefern. Dabei musste er allerdings auf eine Broschüre des bayerischen Verfassungsschutzes aus dem Jahre 1996 zurückgreifen. Dort steht: „Besonders feindlich steht Milli Görüs dem Christentum gegenüber.“ Für diese ungeheuerliche Behauptung reicht den Autoren als Beleg ein einziges Zitat. „Für uns gibt es drei Feinde. Der Feind Nummer 1 sind die Christen. Der zweite Feind sind ebenfalls die Christen. Der Feind Nummer drei sind abermals die Christen.“ Wer das gesagt oder geschrieben hat, wird nicht erklärt.

Der bayerische Verfassungsschutz hat in seiner jüngsten Broschüre solche Behauptungen nicht wiederholt, vielmehr wird erwähnt, dass sich der Vorsitzende von Milli Görüs öffentlich für den jüdisch-islamischen Dialog einsetze und Mitglieder die deutsche Staatsbürgerschaft anstrebten. Ohne Begründung behauptet dann der bayerische Verfassungsschutz, dies sei „taktisch bedingt“. Das Bayerische Innenministerium war in seiner Kampagne so weit gegangen, in einem Faltblatt gegen Milli Görüs ein Bild von Usama Bin Laden abzudrucken. Als Milli Görüs eine einstweilige Verfügung dagegen beantragte, redete sich der Vertreter des Bayerischen Innenministeriums damit heraus, es sei nicht geplant, dieses Blättchen neu herauszubringen.

Der Sprecher der bremischen Islamischen Föderation, Sari, hat den Innensenator aufgefordert, seine Vorwürfe zu konkretisieren: „Was haben die Muslime, die sich der Milli Görüs in Bremen zugehörig fühlen, bisher verbrochen? Gab es irgendeinen Grund, gegen sie rechtlich vorzugehen?“ Und wenn behauptet wird, Milli Görüs würde sich „in den Grundzügen integrationsfeindlich verhalten“ – „welche unserer Einstellungen oder unserer Aktivitäten“ sind damit gemeint? „Wir würden uns freuen, wenn Sie uns Beispiele nennen, damit wir zu diesem pauschalen Vorwurf konkret Stellung nehmen können.“ Wann wird der Innensenator auf diese Fragen antworten?

K.W.