Ein Signal für den Krieg

Ein „schwerwiegender Verstoß“ gegen die UN-Resolution sei der Waffenbericht des Irak, sagt US-Außenminister Powell. Ist der Krieg unvermeidlich?

aus Washington MICHAEL STRECK

Der Countdown läuft. So viel steht fest. Doch wofür? Ist ein Krieg von nun an wirklich unausweichlich? Indem die US-Regierung in den bisher schärfsten Tönen den irakischen Waffenbericht verurteilt hat, scheint für US-Präsident George W. Bush alles nach Fahrplan zu laufen und eine Invasion im Irak nur noch eine Frage von wenigen Wochen zu sein. Am Donnerstag schickte Bush seinen Chefdiplomaten Colin Powell vor die Mikrofone, um das umfangreiche irakische Waffendossier als „schwerwiegenden Verstoß“ gegen die UN-Resolution 1441 zu bezeichnen. Für solch eine Bewertung sind in dem UN-Text „ernste Konsequenzen“ angekündigt, die in Washington als Legitimation für einen Militärschlag ausgelegt werden. UN-Waffeninspekteur Hans Blix sprang Powell zur Seite und gab zu Protokoll, dass er nicht zufrieden sei. Das von Bagdad gelieferte Dossier biete keine neuen substanziellen Informationen.

Wer glaubt, dass die US-Regierung längst entschieden hat, in Bagdad einzumarschieren, für den sind die nun von Powell angekündigten Schritte bis zur Vorlage des Endberichts der UN-Waffeninspekteure am 27. Januar diplomatische Formsache. Schließlich habe man sich im Weißen Haus darauf eingelassen, den Weg über die UNO „bis zum bitteren Ende“ zu gehen. So fordert Powell, die Waffendeklaration weiter zu prüfen, um nachzuweisen, dass der Irak massiv gegen seine Verpflichtungen verstoßen hat. Irakische Wissenschaftler sollen so rasch wie möglich außerhalb des Landes durch UN-Inspektoren befragt werden. Von ihnen erhofft man sich, dass sie den Waffenbericht Lügen strafen. Zudem will die US-Regierung die Inspektionen im Irak intensivieren und durch eine militärische Drohkulisse seine Machthaber zwingen, die Forderungen der UN-Resolution noch zu erfüllen.

Die Wortwahl „schwerwiegender Verstoß“ durch die US-Regierung bedeutet für viele Beobachter jedoch, dass der Konflikt mit dem Irak den „Point of no return“ erreicht hat. Es ist das Signal, dass für das Weiße Haus die Zeichen auf Krieg stehen. Jetzt müssen nur noch die militärischen Planungen präzisiert, weitere Truppen und Kriegsmaterial in die Golfregion verlegt werden. Dann kann es irgendwann im Februar losgehen. Nein, ein genaues Datum gebe es nicht, sagt Powell. Aber der Irak sei dabei, seine letzte Chance zu verlieren.

Nanu, fragt sich der aufmerksame Beobachter. Seit Wochen verkündet die US-Regierung, Saddam Hussein habe nur noch eine letzte Chance, indem er seine Waffenprogramme offen legt. Tatsächlich räumt das Weiße Haus ihm jetzt eine zweite Chance ein. Experten erkennen hier Bewegungsspielraum. „Es ist einfach nicht wahr, dass ein Krieg unvermeidbar ist“, sagt Anthony H. Cordesman vom Center for Strategic and International Studies in Washington. Wenn Saddam Hussein in letzter Minute eingesteht, doch über biologische oder chemische Waffen zu verfügen, würden die USA dann trotzdem einen Krieg beginnen?, wurde Richard Perle, Chef des politischen Beraterstabes des Pentagons gefragt. „Wahrscheinlich nicht“, antwortete er. Er erachte diese Möglichkeit jedoch als „extrem“ gering.

Wenig Lust auf Krieg verspürt die US-Bevölkerung. Zwei Drittel meinen nach eine Umfrage der Los Angeles Times, Bush habe es bislang versäumt, stichhaltig nachzuweisen, warum ein Krieg notwendig sei. „Die USA sollen den Irak nicht angreifen“, mahnt selbst Ivan Eland vom konservativen Cato-Institut in Washington. Die Regierung glaube, nur ein Feldzug gegen Bagdad könne die Bedrohung durch Massenvernichtungswaffen beseitigen. Der Schlüssel sei jedoch, massive Vergeltung anzudrohen, sollte der Irak in irgendeiner Form biologische, chemische oder nukleare Waffen einsetzen. „Abschreckung funktioniert, wie die Geschichte gezeigt hat“, sagt Evans.

Doch hat Bush sich nicht bereits so weit vorgewagt, dass ein Krieg schon deswegen unvermeidlich ist, da er sonst Glaubwürdigkeit und Wiederwahl riskiert? Das sei eine Frage der Taktik, sagt Evans. Bush könne ohne Gesichtsverlust erklären, dass nur massiver militärischer Druck den Irak – wenn es denn passieren sollte – zum Einlenken bewegt habe, und am Ende als Friedensbringer dastehen.