Mission für 2, 5 oder 15 Jahre

Minister und Abgeordnete beschwören die Gefahren des Bundeswehreinsatzes in Kabul, doch Dauer und Ziele des deutschen Engagements in Afghanistan bleiben unklar. Trotzdem verlängert der Bundestag mit überwältigender Mehrheit das Mandat

aus Berlin PATRIK SCHWARZ

Der Verteidigungsminister sagt: „Die Lage ist instabil und auch sehr gefährlich für unser Soldatinnen und Soldaten.“ Der Redner der Union nennt die Situation „extrem gefährlich“. Der FDP-Abgeordnete erklärt, der Einsatz „birgt unverändert große Gefahren für Leib und Leben der Soldaten.“ Der grüne Abgeordnete wünscht den Soldaten, dass sie das Jahr „wohlbehalten überstehen“. Der Außenminister warnt, es gehöre „zur Ehrlichkeit dazu zu sagen: es wird lange dauern“.

Doch die Stimmung im Plenarsaal passt nicht zu den Worten. Die gestrige Debatte über das neue deutsche Afghanistanmandat war frei von jener vibrierenden Anspannung, wie sie früheren Abstimmungen über Bundeswehreinsätze eigen war. Es wirkte, als glaubten die Politiker ihren eigenen Warnungen nicht.

Obwohl erst am Tag zuvor am Tor des deutschen Lagers in Kabul ein Attentäter zwei afghanische Dolmetscher und sich selbst mit Granaten in die Luft sprengte, fehlt dem Einsatz die Dramatik – nicht nur in den Augen der Politik, sondern auch der Öffentlichkeit. Die Pressetribüne blieb gestern fast verwaist. Der CSU-Außenpolitiker Christian Schmidt beschuldigte die rot-grüne Regierung, sie stelle den Auftrag der UNO-Schutztruppe Isaf vorsätzlich so dar, „als handele es sich um ein Ferienbetreuungsprogramm“. Gerade bei den Grünen gebe es „Appeasement in die eigene Fraktion hinein“. Allen Rednern ist bewusst: Bei einem Irakkrieg steigt die Gefahr von Anschlägen auf die Isaf-Truppe.

Friedbert Pflüger (CDU) wies in seiner Rede darauf hin, dass die Bundesregierung mit anderen Staaten einen Plan zur Evakuierung von 15.000 Menschen innerhalb von fünf Tagen ausgearbeitet habe. So offen also auf allen Seiten des Hauses die Sorge um die Risiken des Einsatzes zum Ausdruck kam, so ungeklärt blieben zwei wesentliche Parameter. Weder Dauer noch Ziel des deutschen Engagements in Afghanistan konnten nur annähernd eingegrenzt werden.

Formal ist das neue Mandat auf zwölf Monate ausgelegt, gleichzeitig kündigte der Außenminister an: „Es wird ein sehr langfristiges Engagement werden.“ Ob damit zwei, fünf oder fünfzehn Jahre gemeint sind, ist selbst unter Experten ungeklärt. Der Verteidigungsminister beschrieb die operativen Aufgaben der Soldaten, blieb aber die Zieldefinition schuldig, ab wann die Mission als erfüllt gelten kann. Der Begriff des nation building tauchte in der Debatte zwar am Rande auf, doch angesichts von mindestens 200 Jahren kriegerischer Auseinandersetzungen in Afghanistan wollte kein Redner ernsthaft beanspruchen, das Land könne zu einer einheitlichen und befriedeten Nation umgestaltet werden.

Bei neun Neinstimmen und zwei Enthaltungen stimmte der Bundestag dem neuen Mandat zu. Statt 1.200 werden künftig 2.500 Soldaten in Kabul dienen. Außerdem übernimmt Deutschland mit den Niederlanden für sechs Monate die Isaf-Führung. Experten rechnen damit, dass deutsche Einrichtungen als Anschlagsziel attraktiver werden.