Festgehakte Hooklines

„Einer muss den Job ja machen“, sagen sich „Masters Of The Obvious“ (alias „M.O.T.O“) und tragen die Flamme des hymnischen 3-Akkorde-Punkrocks der „Ramones“ weiter und weiter

Es gibt eine (mäßig systematische) Theorie über den Erfolg im Musikgeschäft, die von sehr jungen, sehr optimistischen – oder sehr ignoranten – Menschen vertreten wird. Sie besagt, dass schon automatisch aufsteigt und durchbricht, wer nur lange und hartnäckig genug sich weigert, das Musizieren einzustellen. Allein die Tatsache, dass der Faktor „Stil“ in dieser kühnen Theorie fehlt, während Graswurzelkomponenten wie Mund-zu-Mund-Propaganda ganz groß geschrieben werden, könnte einen stutzig werden lassen. Das Schicksal der Band Masters Of The Obvious (im Folgenden M.O.T.O.) noch viel mehr.

Seit nunmehr 20 Jahren bewegt die Band, die im New Orleans der frühen Achtziger erste Gehversuche unternahm und heute in Chicago ansässig ist, sich in einem Stilbereich, der in den Weiten der Möglichkeiten etwa die Größe eines Cent-Stücks besitzt. Der schlenkerlose, bezüglich Akkordzahl und Soundqualität genügsame Punkrock der Ramones war es, der es M.O.T.O.-Gitarrist, Sänger und Organist Paul Caporino angetan hatte. Eine Modifikation der musikalischen Ausrichtung hielt seither niemand der Beteiligten für nötig. Im Gegenteil, mit jedem weiteren dahinscheidenden Ramones-Mitglied sieht Caporino sich bestärkt: „Einer muss den Job ja machen“, glaubt er.

Nennenswerte Erfolge haben sich entgegen der oben ausgeführten Theorie in den vergangenen beiden Dezennien nicht eingestellt. Dafür jedoch wuchs die Diskographie der Band sich zu einem beachtlichen Riemen aus: Neben Dutzenden von Singles waren es vor allem unüberschaubare Mengen von Tapes, die M.O.T.O. als Workaholics ohne Maß und Grenze kennzeichneten. Und als Musiker, denen Ironie nicht fremd ist. So hält der Band jüngstes Album, Kill Moto, erschienen auf Münchens reanimiertem Little Teddy Label, für Joy Division- („Dance To The Radio“) und Mekons-Fans („Never Been To Me In A Riot“) kleine Schmunzler bereit, die – und das macht die Tragik des ausbleibenden Erfolgs aus – jedoch auch dem Referenzen gegenüber unempfänglichen Hörer eine Menge Spaß bereiten.

Der Bandname übrigens kommt nicht von ungefähr. Als Meister des Offensichtlichen haben M.O.T.O. kein Interesse an Melodien, die ihre Qualität erst nach konzentriertem Hören offenbaren. Auch als Hintergrundmusik einer der heute so populären Kakophonien gespielt, würden die hymnischen Hooklines sich mit dem ersten Hören festhaken.

Über die Qualitäten von M.O.T.O. als Live-Band konnte in diesem Teil der Welt bisher nur spekuliert werden, denn die ohnehin raren Touren führten das Quartett nie nach Europa. Doch in guter Gesellschaft und mit einer entsprechenden Menge Gerstensaft genossen, darf guten Gewissens unterstellt werden, dass die möglicherweise schweißtreibende Show der Masters Of The Obvious dem Weihnachtsbraten vorzuziehen ist.

Gregor Kessler

Mittwoch, 25.12., 21 Uhr, Molotow