Ein Dramatiker der Liebe

Das Bremer Theater hat während der nächsten sechs Monate einen Hausautor: Der junge Kristo Šagor begleitet die Produktionen des Schauspiels und gibt Kurse an der Uni. Mit seinen eigenen Stücken begibt er sich in einer harten, bisweilen fäkalen Sprache auf die nimmermüde Suche nach Zärtlichkeit

Selten passt das Attribut „unprätentiös“ so gut wie zu diesem jungen Mann: Konzentriert, bescheiden und ein wenig blass um die Nase sitzt Kristo Šagor im Theater am Goetheplatz und weiß sich wohlerzogen zu bedanken: Es sei eine „Ehre“, Hausautor des hiesigen Schauspiels zu sein, und er fühle sich wohl in Bremen – die Stadt habe so „eine Mischung aus dem Nordischen und einer Art Little Berlin“.

Kristo Šagor spricht rasend schnell, in druckreifen, durchdachten Kaskaden – manchmal („das war mein Glück Schrägstrich Pech“) spricht er sogar die Satzzeichen mit. Während der nächsten sechs Monate gewährt der rührige Verein der „Bremer Theaterfreunde“ dem 26-Jährigen ein Stipendium, jeden Monat gibt‘s 1.500 Euro steuerfrei. Und weil der Künstler auch zwei Lehraufträge über das „szenische Schreiben“ angenommen hat, vermittelte ihm die Uni ein kleines Appartement in Hastedt.

Am Theater möchte Šagor „in möglichst viele Arbeitsprojekte reinschauen“, als dramaturgischer Mitarbeiter wird er in alle Produktionen des Hauses eingebunden. Es tue dem Theater gut, wenn ihm „mal aus Dichterperspektive frischer Wind in die Gänge bläst“, sagt Chefdramaturg Joachim Klement. Eine Auftragsarbeit hat Šagor am Schauspiel aber nicht übernommen, man will ihn nicht unter Druck setzen: „Wir wissen nicht, was herauskommt, aber wir freuen uns darauf, was herauskommt“, meint Intendant Klaus Pierwoß.

Verschrobene Dramatiker-Marotten oder theatralisch-selbstgefällige Posen sind Kristo Šagor fremd. Der Lübecker 1,0-Abiturient sprüht vor Ideen, ohne streberhaft zu wirken, er ist preisgekrönt – und bleibt doch auf dem Teppich. Was gar nicht so einfach ist, wenn einem allerorten das Etikett vom „erfolgreichen Nachwuchsdramatiker“ an die Stirn geklebt wird und einen der Spiegel mit den Worten hätschelt, man erobere „die Theaterwelt im Sturm“. Šagors Produktivität hat darunter nicht gelitten: Über zehn Dramen hat er bereits geschrieben, „mit diversen Prosa-Projekten“ geht er „schwanger“, ein Vertrag mit dem ZDF für ein 90-Minuten-Drehbuch ist in trockenen Tüchern, in München hat er jüngst zum ersten Mal selbst inszeniert – und für das Deutsche Nationaltheater in Weimar dramatisiert Šagor gerade Goethes Werther.

Der Hausautor ist für Bremen kein Unbekannter: 2001 hat Šagor zusammen mit dem „Moks“-Ensemble das Patchwork-Familien-Drama „Fremdeln“ aufgeführt, die nächste Koproduktion mit dem Jugendtheater wird im März Premiere haben und hat den Titel „fsk 16“. Lakonische Namen sind Šagors Stücken eigen, sei es „Dreier ohne Simone“, „Adam Komma Eva“ – oder „Unbeleckt“, eine Schwulen-Sado-Maso-WG-Geschichte.

Es ist immer die Liebe, um die sich seine Werke ranken, um eine nimmermüde Suche nach Zärtlichkeit, um Einsamkeit und Verletzungen. Šagors harte Sprache, wortgewaltig, authentisch und doch poetisch, bedient sich mitunter eines vulgären, fäkalen, gewalttätigen Vokabulars – sicher nicht immer zur Erbauung des Stadttheaterpublikums. Umso schöner ist es, dass Bremen diesen Mann geholt hat. Markus Jox