DIE HILFSAPPELLE FÜR HUNGERNDE IN AFRIKA GEHEN NICHT WEIT GENUG
: Nahrung spenden, Wissen teilen

Es wurde ja mal Zeit. Die Ausbreitung von Aids, zunehmend heftige Klimaschwankungen, politische Instabilität und ungünstige Rahmenbedingungen im Welthandel treiben afrikanische Bauern millionenfach an den Rand des Ruins. In Gesellschaften, in denen die Kunst des Überlebens in der Verwaltung des täglichen Mangels besteht, reichen winzige Einkommensrückgänge und Verschiebungen der Regenzeit aus, um Existenzen zu vernichten. Da kommt der neue Hilfsappell des UN-Welternährungsprogramms WFP zur rechten Zeit.

Der Ansatz des „Africa Hunger Alert“ ist richtig. Die befürchteten Hungersnöte in Simbabwe und Äthiopien sowie in den jeweiligen Nachbarländern werden zwar erst für 2003 erwartet, aber wenn die dramatischen Bilder einmal über die Fernsehschirme flimmern, ist es für effektive Hilfe schon zu spät. Und da von Simbabwe bis zur Elfenbeinküste mehrere wichtige Wirtschaftsmächte des Kontinents in innenpolitischen Wirren versinken, ist Hilfe aus Übersee mehr gefordert denn je.

Allerdings kann frühe Aufmerksamkeit das Gegenteil der gewünschten Wirkung erzielen. Wenn der Hilfsappell funktioniert, kann sich die betroffene Regierung zurücklehnen. Eigene Schritte zur Reform einer verfehlten Politik sind nicht mehr so dringend, wenn die Schiffe voller US-Weizenüberschüsse erst unterwegs sind. Indem der „Africa Hunger Alert“ der Weltgemeinschaft die Übernahme von Verantwortung aufdrängt, entlastet er die Verantwortlichen in Afrika selbst.

Man kann das den Hilfswerken nicht vorwerfen. Sie sollen Leben retten, und eine hohe Zahl von Hungertoten hat noch keine Regierung zu einer besseren Politik angespornt. Aber das Dilemma darf nicht vergessen werden, wenn es einmal darum geht, aus kurzfristiger Nothilfe langfristige Strukturhilfe zu machen.

In diesem Sinne geht der „Africa Hunger Alert“ nicht weit genug. Von Afrikas 200 Millionen Hungernden werden nur die 38 Millionen erwähnt, die kurzfristig neu dazugekommen sind. Länder mit alten, anscheinend endlosen Konflikten wie Somalia, Burundi, Kongo und Sudan werden zu wenig beachtet. Aber in solchen alten Krisengebieten sammeln die Hilfswerke die Erfahrungen, die sie in neuen Hungerländern nutzen wollen. Warum werden aus dieser jahrzehntelangen Arbeit keine Schlüsse gezogen, die verhindern, dass sich rund um Simbabwe und die Elfenbeinküste neue, ähnliche Katastrophen entwickeln? Das WFP und seine Partner könnten Pionierarbeit leisten, wenn sie ihr institutionell angesammeltes Wissen über den Umgang mit Notlagen teilen würden – gerade auch mit der Bevölkerung in Ländern, denen ein endloser Krieg vielleicht bevorsteht. DOMINIC JOHNSON