Loco durch die Luft

Großer Körper und Erlebnisshow: Das argentinische Theaterspektakel De La Guarda im Pankow Park

„Takaka takaka takaka“. Der Schlachtruf dröhnt in den Ohren. Man nimmt das Stakkato auf, grölt es mit, tanzt mit hin- und herruckelndem Unterleib zum Technobeat. Nein, man ist sich nicht zu blöd. Der ganze Saal schwimmt in Wasser und Hormonen, da gibt es keinen Platz für Scham, alle haben jetzt den Rhythmus, die Kraft, den Sex.

„De La Guarda“, die „Adrenalin-Show“, gibt es jetzt auch in Berlin. So aufdringlich die Ankündigungen für das argentinische Chaostheater sein mögen, „Theater-Totalerlebnis der neuen Art“, die Versprechen erfüllen sich – und bleiben unvollständig, wenn sie übersetzen wollen, was die Show produziert: Erlebnis.

„De La Guarda“ ist ein hochpoetisches, erotisches und konsequent antiintellektuelles Spektakel. Zu Beginn der Show steht das Publikum in einem dunklen engen Raum, über sich eine halb durchlässige Zwischendecke. Die Musik ist sphärisch, das Licht streift in sparsamen Spots über die Fläche. Man hört ein Murmeln, Glucksen und Krähen. Gerade will dieses „ozeanische Gefühl“ aufkommen, da gibt es ein Gekreisch, die Papierdecke wird von oben aufgerissen, und an Seilen befestigte Menschen springen in den Zuschauerraum. Trommelwirbel dröhnt, die Show beginnt. Im Affentempo fliegen die von einem Computer gestützten Gurtsystem gesicherten Darsteller über den Köpfen der Zuschauer hin und her, drehen Pirouetten zu zweit, laufen senkrecht an Steilwänden entlang oder lassen sich dutzendmal auf den Gummiplafond knallen, mit dem Gesicht zuerst.

Während man noch gebannt nach oben schaut, kommen andere auf einer fahrbaren Bühne mitten ins Publikum hinein, singen, stampfen, schreien, tanzen. Wasser spritzt, und einer, der einen Helm aufhat und sonst nur schwarze Lederriemen trägt, kräht Unverständliches, schnappt sich eine Frau aus dem Publikum und gurtet sie an sich. Mit dem nacktärschigen „Loco“ fliegt sie durch die Luft.

„De La Guarda“ wurde als Straßentheater 1984 von einer Gruppe junger Performer in Buenes Aires gegründet. Mit ihrer wilden, das Leben unter einer Militärdikatur thematisierenden Darbietung wurden sie in Bars und kleinen Theatern bekannt. Die Regisseure James Diqui und Pichon Baldinu machten in den Neunzigerjahren das politische Theater zu einer kommerziell erfolgreichen Show und brachten „De La Guarda“ in New York heraus. Nun hingen Prominente wie Leonardo DiCaprio und Demi Moore begeistert in den Seilen der „ungebändigten“ Argentinier. Die politischen Motive des Theaters sind mittlerweile passee. Was bleibt, ist das Miterleben eines großen, wilden Körpers. Das macht „De La Guarda“ so besonders. JANA SITTNICK

Im Pankow Park, Lessingstr. 79, Pankow, Mi. u. Do. 19 Uhr 30, Fr. u. So. 20 Uhr 30 u. 22 Uhr, bis Anfang März