Das Sparhämmerchen in Köpenick

Fußball-Zweitligist FC Union Berlin will Kickergehälter kürzen. Gewerkschaft handelt Kompromiss aus. Ein Teil des Geldes soll nun später gezahlt werden. Das Team spart vorerst mit Toren und unterliegt Eintracht Trier mit 1:3

Ein Hauch von Marxismus wehte gestern durch die Fußball-Arena an der „Alten Försterei“ in Köpenick. Was weder an den Fahnen der Union-Anhänger, gehalten in der dominanten Klubfarbe Rot, lag noch an Gegner Eintracht aus Trier, der Geburtsstadt des Propheten des Kommunismus. Vielmehr hat die Leitung des Berliner Zweitligisten der besser verdienenden Fraktion in der Mannschaft (mit mindestens 4.220 Euro brutto im Monat) den Arbeitskampf angesagt: Um die drohende Insolvenz zu verhindern, sollen die Angestellten ein Solidaropfer bringen.

Der ursprüngliche „Sparhammer“, eine Kürzung der Gehälter um 20 Prozent, ist vom Tisch. Die kollektive Ablehnung auf Seiten der Untergebenen war eher ein Votum gegen das ultimative Vorgehen von Präsident Heiner Bertram, der Anfang Dezember Änderungsverträge binnen Wochenfrist durchzudrücken versuchte. „Wir wollen wenigstens gefragt werden“, zürnte Stürmer Steffen Baumgart, Mitglied im Mannschaftsrat. Bertram, ein Bundeswehroffizier der Reserve, blies zum Rückzug: „Wir haben keinen Flächentarifvertrag.“

Seit Donnerstag liegt nun ein mit der Profigewerkschaft VdV abgestimmter Diätplan zum Abspecken der Lohnsumme auf dem Tisch: Weiterhin sollen 20 Prozent der Gehälter einbehalten werden. Aber im August 2003 bekämen die Betroffenen 5 Prozent nachbezahlt. Weitere 10 Prozent würden überwiesen, sobald das bis spätestens Juni 2004 avisierte Geld aus dem Insolvenzpool des Sportvermarkters KirchMedia fließt. Erfolgsprämien (125 Euro pro Punkt und Spieler) werden eingefroren, bis im Frühsommer der Klassenerhalt geschafft ist. Das sei das letzte Arbeitgeberwort im Köpenicker Lohnstreit, signalisiert Union-Sprecher Lars Töffling: „Wer nicht unterschreibt, erhält eine Änderungskündigung.“

VdV-Justiziar Frank Rybak weiß um die Brisanz der Kompromissformel. „Wir haben unsere Arbeit getan. Nun müssen die Spieler entscheiden.“ Fünf Prozent Gehaltseinbuße – da schaut der Union-Anhang genau hin, welcher Spieler plötzlich müde Beine bekommt. „Die leben doch auf einer Insel der Seligen. Jeder Profi glaubt, er müsse nach zehn Jahren ausgesorgt haben, während unsereiner noch jahrzehntelang malocht“, gibt Aufsichtsrat Andreas Freese, im Brotberuf Telekom-Angestellter, die Meinung auf den billigen Stehplätzen wider.

„Ich muss das Angebot mit meinem Berater prüfen“, lautet der Tenor im Team. Bertram ist überzeugt, dass die Mehrzahl des kickenden Personals, wenn auch zähneknirschend, die schlechter dotierten Verträge unterschreibt. „Die meisten haben ihr Einverständnis signalisiert.“ Die geschlossene Front der Aktiven gegen die zum „Sparhämmerchen“ geschrumpfte Maßnahme bröckelt. „Jeder hat eigene Vorstellungen“, weiß Mannschaftskapitän Steffen Menze. Leistungsträger können selbstbewusster auftreten, da sie in der Winterpause leichter einen spendableren Klub finden könnten. Zwar hat Bertram die 35 Profivereine in Deutschland schriftlich um Solidarität gebeten, keine „Rebellen“ aus Berlin zu engagieren. „Doch die Wirklichkeit sieht anders aus“, weiß Jörg Schmadtke, Sportdirektor bei Alemannia Aachen.

„Natürlich spielen bei Union interessante Leute“, hofft etwa Ahlens Manager Joachim Krug auf einen Winterschlussverkauf an der Spree. Ein Spieler hat seinen Spind bereits geräumt: Mittelfeldtalent Heiner Backhaus ließ sich erst gar nicht nicht auf die Feilscherei ein. „Bertram ist ein Osterhase und soll sich um seinen Scheiß kümmern“, schimpfte der 20-Jährige und bekam dafür fristlos die rote Karte gezeigt. Die Restelf zeigte sich gestern im Heimspiel gegen Trier sparsam und unterlag mit 1:3. JÜRGEN SCHULZ