Südost Zentrum feiert erfolgreiche Geschichte

Das Kreuzberger Kompetenzzentrum für Flüchtlinge aus dem ehemaligen Jugoslawien blickt auf eine erfolgreiche zehnjährige Geschichte. Auch wenn der Höhepunkt der Krise vorbei ist, gibt es genug zu tun. Aber das Geld ist knapp

Für alle, die in Berlin mit dem ehemaligen Jugoslawien in Berührung kommen, ist das Südost Zentrum die erste Adresse. Journalisten finden hier Themen und Interviewpartner. Kulturinteressierte hören auf Lesungen vom Besten, was die antinationalistische Literaturszene aus Serbien, Kroatien und Bosnien zu bieten hat; Bora Ćosić und Dragan Velikić waren in diesem Jahr zu Gast. Vor allem aber ist das Südost Zentrum eine wichtige Anlaufstelle für die Flüchtlinge.

Die zehnjährige Existenz des Zentrums ist eine Erfolgsstory. Im März 1992 fing es klein an – drei Mitarbeiter auf zwei bezahlten Stellen. Heute verfügt das Südost Zentrum über 18 Mitarbeiter. Und seit es mit dem Beginn der staatlichen Rückführungsprogramme 1997 seine Arbeit auf Bosnien ausgedehnt hat, ist der Stab dort auf 14 Mitarbeiter gewachsen. Dennoch sagt die Leiterin Bosiljka Schedlich mit einem Seufzen: „Es ist zu wenig.“ So könne sie zum Beispiel keine Einzeltherapien anbieten, nur Gruppenbetreuung.

In den ersten acht Monaten dieses Jahres haben rund 1.800 Flüchtlinge aus dem ehemaligen Jugoslawien im Südost Zentrum Hilfe gesucht. Das sind weit weniger als Mitte der Neunzigerjahre. Damals hielten sich auf dem Höhepunkt der Krise rund 45.000 Jugoslawienflüchtlinge in Berlin auf. Täglich kamen bis zu 150 Menschen ins Südost Zentrum. Insgesamt haben wohl 20.000 Bosnier, Kroaten, Serben, Roma und andere die Räume in der Kreuzberger Großbeerenstraße aufgesucht.

Das Zentrum bietet Hilfe jenseits der staatlichen Strukturen an: Sozialberatung, Therapien, Rückkehrhilfen nach dem Krieg. Der größte Teil des Geldes kommt gegenwärtig von der Europäischen Kommission und dem Europäischen Flüchtlingsfonds. Weitere Beträge erhält das Südost Zentrum von der Freudenberg-Stiftung, der UNO und der Deutschen UN-Stiftung für Flüchtlingshilfe.

Das Südost Zentrum – das ist eigentlich Bosiljka Schedlich. Die Kroatin, die seit 1968 in Berlin lebt, ist bekannt für ihre Freundlichkeit, die eigentlich Sanftmut ist. Nie hat sie sich auf Polemiken mit deutschen Stellen eingelassen, obwohl sie mit ansehen musste, wie manche Flüchtlinge durch rabiates, rücksichtsloses Vorgehen von Ausländerbehörden und Polizei ein zweites Mal traumatisiert wurden.

Auch wenn sie die drohende Abschiebung als „erneute Vertreibung“ bewertet, wird ihre Stimme nie laut oder gar aggressiv. Sie hat diese Strategie gewählt, weil sie weiterarbeiten, weiterarbeiten und weiterarbeiten will. Die Tür zuzuschlagen hätte die deutschen Stellen gleichgültig gelassen. Erst nach dem Daytoner Friedensvertrag 1995, als man in Deutschland die Flüchtlingskrise für überwunden hielt, kamen die Ehrungen: der Moses-Mendelssohn-Preis, die Louise-Schröder-Medaille, schließlich das Bundesverdienstkreuz.

Auffällig ist: Sie macht nie Schuldzuweisungen. Nie spricht sie von den Serben, den Albanern oder den bosnischen Muslimen. Sie sagt „Menschen“ und meint es auch. Wenn sie über Verantwortung und Schuld nachdenkt, sagt sie „wir“. Wir jugoslawischen Intellektuellen, wir in Europa, wir Deutschen.

Zur Zeit versucht Schedlich, eine Stiftung zu gründen, um die Arbeit institutionell abzusichern. Wenn das Südost Zentrum heute um ein halbes Jahr verspätet seinen zehnjährigen Gründungstag feiert, darf man gratulieren und mitfeiern. Und man weiß, dass vorher Wichtigeres zu tun war. HEIKO HÄNSEL