Unkaputtbare Geräusche

Mit der CD-Compilation „Bis auf weiteres eine Demonstration“ – und einem Abend im Roten Salon – feiert der Independent-Pionier Alfred Hilsberg Vergangenheit und Zukunft seiner Traditionslabels

von GERRIT BARTELS

Klingt rührend, ist aber trotzdem nicht falsch: „Es lohnt sich“, schreibt Alfred Hilsberg in den Linernotes zur neuesten Compilation aus dem Hause ZickZack/What So Funny About, „jenseits von Bro’Sis, Britney und Dieter B., und abseits von HipHop und elektronischen Soundscapes, die selbstbewussten musikalischen wie sprachlichen Dimensionen eines neuen Pop-Undergrounds zu hören.“

Nun verschafft sich der Pop-Underground trotz der notorischen Dominanz der Chartsmusik seit Jahren genügend und mitunter auch lohnend Gehör, und sei er noch so „schwierig“, „unbequem“ und gegen jeden Trend. Auch braucht gerade der Pop-Underground keine Rechtfertigung für sein Tun, geschweige denn, dass er sich ausgerechnet von Bro’Sis oder Dieter Bohlen abgrenzen muss. Trotzdem ist es natürlich ehrenwert, wenn sich der einstige Punk- und NDW-Pionier und Hamburger Underground-Guru Alfred Hilsberg ein weiteres Mal daran macht, dem ach so vernachlässigten und vermeintlich „neuen“ Pop-Underground ein Forum in Form einer großen, 36 Song starken CD-Compilation zu geben.

In Anlehnung an die altehrwürdigen ZickZack- und What-So-Funny-About-Compilations „Geräusche für die 80er“ und „Geräusche für die 90er“ heißt sie „Bis auf weiteres eine Demonstration – Geräusche für den Tag danach“ und verlinkt dabei in der Auswahl der Bands und Musiker nicht ungeschickt Vergangenheit und Zukunft vor allem von ZickZack und What So Funny About.

Diese Verlinkung zeigt sich schon in den Namen gerade auch der neuen Bands: Das Bierbeben oder Die Patinnen heißen die, Die Rote Gerda, Tolerantes Brandenburg oder Das Zuckende Vakuum. (Ja, das klingt doch wie früher, als bei ZickZack Platten von den Geisterfahrern, den Zimmermännern, Tödliche Doris oder x-Mal-Deutschland herauskamen!). Natürlich fehlen die Vorzeigebands von Hilsbergs Label nicht, Knarf Rellöm etwa, die Monostars oder Mutter und mutigerweise auch nicht brutale Irrtümer wie Waswawa, Unicycleman oder Parole Trixi.

Im Großen und Ganzen aber wird hier am liebsten einem mitunter kaputten, aber immer unkaputtbaren Geräusch gehuldigt, („Alles ist kaputt“ heißt ein Stück), werden die Tücken und Schönheiten von Technologie besungen („Sender“, „Was hast du gesagt, als ich die Frequenzen sah“, „Maschine“) und sagen sich charmant dilettantisches Gitarrenschrummschrumm und verquere Trash-Elektronik guten Tag und gute Nacht. Hin und wieder gibt es auch richtige Glanzstücke: Besagtes „Sender“ von den Monostars, Knarf Rellöms Ode auf Zürich und vor allem Jens Friebes „Wenn man euch die Geräte zeigt“. Bei allen Wunschträumen von einem neuen Pop-Underground und dem großmütigen Verzicht auf „große Namen“ – außer Blumfeld ist selten eine What-So-Funny-About-Band wirklich groß geworden, Größe im kommerziellen Sinn, als Mainstream, würde auch der Hilsberg’schen Label-Philosophie sehr widersprechen – hat Alfred Hilsberg durchaus Sinn für feine Ironie: Hintereinander folgen auf der zweiten CD Mutter mit „Früher“, Fehlfarben mit „Sieh nie nach vorn“ und eine Band namens Sound Of Money mit dem Stooges-Cover „1969“. War schon toll alles, damals. Aber heute ist auch viel gut, klar. Vielleicht wechseln ja wirklich ein paar Teenies nach dem Hören von „Bis auf weiteres eine Demonstration“ bruchlos von Bro’Sis oder Britney Spears ins Underground-Lager.

Record-Release-Party heute ab 22 Uhr im Roten Salon der Volksbühne, Rosa-Luxemburg-Platz. Live treten auf: Jens Friebe, Boy Divison und Umi