Eitel Freud und Sonnenschein

ARD-Hauptstadtkorrespondent Werner Sonne möchte Intendant beim neuen Rundfunk Berlin-Brandenburg werden

Das Mikrofon steht steif vor dem schlaksigen Herrn, unter dem beigen Trenchcoat blinkt die gestreifte Krawatte. Und immer, immer ist es windig in Berlin.

Werner Sonne, der Mann fürs Kanzleramt und große Volksparteien im ARD-Hauptstadtstudio, sieht sich mit verwehtem Silberhaar wohl ganz gerne auf dem Bildschirm. Auf die Frage, ob er als Journalist denn nun eigentlich Macht habe, antwortete der 58-Jährige einmal ausweichend „jedenfalls nicht so viel, wie draußen viele meinen“. Ein eigenartiges Understatement.

Bei überfüllten Pressekonferenzen in Berlin darf er oft die erste Frage stellen, vermutlich weil er mit seinen fast zwei Metern Körpergröße alle überragt. Noch mehr dürfte ihn freuen, sich mit den Mächtigen im Fernsehen zu zeigen. „Korrespondent Sonne hält sich mehr im Kanzleramt als im ARD-Hauptstadtstudio auf“, notierte der Tagesspiegel, und auch das Schröder-Porträt der ARD zur Bundestagswahl kam von Sonne.

Der seit 1968 in öffentlich-rechtlichen Diensten stehende Reporter sorgt sich zurzeit um die Medienpolitik. Für die 2003 anstehende Wahl des Gründungsintendanten beim Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB) hat er bereits den seiner Meinung nach besten Mann ins Gespräch gebracht: sich selbst.

Vielleicht hat das damit zu tun, dass Sonne sich in der neuen Hauptstadt und ihrem viel beklagten Verfall der journalistischen Sitten nicht mehr so wohl fühlt wie damals am Rhein. „In Bonn war alles überschaubarer, selbst an der Bar“, schwelgt Sonne in Erinnerungen. Und der RBB wird ja auch kein großer unter den ARD-Sendern, eher ein mittelkleiner – für Übersichtlichkeit wäre also gesorgt.

Seit dieser Woche nun ist Sonne, der seinem „Heimatsender“ WDR neben 14 langen Jahren in Bonn auch als Korrespondent in Warschau und Washington diente, selbst ernannter Kandidat für den obersten Posten bei der aus der Fusion von ORB und SFB entstehenden neuen Anstalt, „ganz gute Chancen“ rechnet er sich aus. Dass die Stelle demnächst erst offiziell ausgeschrieben werden soll, kümmert da wenig. Schließlich haben andere Kreise ja auch schon seinen Exchef im ARD-Hauptstadtstudio, WDR-Fernsehdirektor Ulrich Deppendorf, ins Rennen geschickt.

Und während sich der zurückhält und ein Sendersprecher über „haltlose Spekulationen unter den üblichen Verdächtigen“ schwadroniert, diktierte Sonne der dpa schon mal seine Bewerbungsrede in den Block: Er sehe erheblichen Nachholbedarf bei der Schaffung eines wirklichen Hauptstadtsenders, heißt es da. Als Selbstkritik ist das wohl kaum zu verstehen, beim SFB dürfte der Seitenhieb des WDR-Mannes dagegen angekommen sein. Als RBB-Intendant will Sonne dann auch noch die deutsche Filmwirtschaft verstärkt nach Berlin und Brandenburg lotsen, dem maroden Studio Babelsberg unter die Arme greifen.

So viel Engagement sollte sich auszahlen, Sonne hat nach eigenen Angaben in Gesprächen mit Politikern, Verbänden, Kirchen, Gewerkschaften und anderen Interessenvertretungen Zustimmung für seine Kandidatur erfahren. Warum er sich dann nicht von diesem erlauchten Kreis, der so ja auch im alles entscheidenden Rundfunkrat der neuen Anstalt sitzen wird, nominieren ließ, bleibt das Geheimnis des wirklicher Erfolgsaussichten wohl gänzlich Unverdächtigen. STEFFEN GRIMBERG