berliner szenen Side-Show-Sensationen

Die Fliege

Als ich letztens die Columbiahalle betrat, war ich zunächst enttäuscht. Europas größtes Treffen der Tätowierer roch nach Patchuli. Dabei zierte das Plakat ein Pin-up-Teufelchen mit Betty-Page-Frisur und versprach so Las Vegas, Side Shows und Rock ’n’ Roll. In Wirklichkeit aber schien die Tattoo-Convention eine Art Weihnachtsmarkt mit nicht wenig Silberschmuck- und T-Shirt-Ständen zu sein.

Wo waren die Sensationen? Vorne auf der Bühne ratterte der Moderator das Veranstaltungsprogramm herunter, aber nichts passierte. Plötzlich aber sagte er: „Meine Damen und Herren, die erste Performance! Insektopia, der interaktive Stelzenwalkact!“ Bald galoppierte ein giraffenartig aufgebocktes Fliegenwesen auf die gepiercten Zuschauer los. Seine Arme und Beine waren mit Lüftungsrohrhüllen umkleidet, vereinzelt hingen Fellreste herunter. Vorm Gesicht trug es eine Fechtmaske. Inspiriert von Insektopia sah ich mir fortan die Stände an. Tätowierer aus Kroatien und Israel flogen vorüber und Japaner taten ihren Kunden traditionell mit spitzen Stöckchen und Hämmerchen weh. Schließlich fand ich mich in einem Seitenraum mit Fantasyfigürchen wieder. Da stand Insektopia. Es ließ sich gerade mit zwei glucksenden Taiwanesen fotografieren und umarmte sie freundlich.

JULIE MIESS