Veganes Huhn an Zuckerrohr

Im buddistischen Taiwan selbstverständlich in jedem Supermarkt zu bekommen, in Deutschland noch fast chancenlos gegen Sahnesaucen und Käseüberbackenes: fleischfreies Soja-„Fleisch“.

„Buddhistische Mönche haben ausprobiert, wie man Soja formen kann.“

Veganes Essen, das klingt in vielen Ohren nach Spaßverderben, nach politischem Dogma, oder nach Milcheiweißunverträglichkeit, jedenfalls irgendwie eigenartig. VeganerInnen essen schließlich kein Fleisch, aber auch alle anderen Speisen mit tierischen Bestandteilen nicht: keine cremigen Sahnesaucen oder käseüberbackenen Fettkram. Je nach Überzeugungsgrad von veganen HaustierbesitzerInnen, bekommt auch die Katze „Vegusto-Cat“ statt Dosenfleisch.

Da scheint es neumodischer Schnickschnack zu sein, dass es im chinesischen Restaurant „Moto“ (heißt übersetzt „Ursprung“) neben den sich auch allmählich in Deutschland ausbreitenden vegetarischen Gerichten sogar vegane Hühnerkeulen und fleischfreies Lamm gibt. Also rein pflanzliche Gerichte. Ist aber gar nicht neumodisch: „Ich erinnere mich daran, dass meine Mutter schon im buddhistischen Tempel Hühnchenkeule aus Soja gegessen hat“, berichtet Lo-Ping Tu, Mitinhaberin des Familienbetriebs an der Schlachte. Sie schätzt, dass es Soja in Fleischform schon seit 40 Jahren geben könnte. „Buddhistische Mönche haben sich das überlegt“, berichtet sie. Die essen kein Fleisch: „Der Buddhismus spricht von ‚Leben und leben lassen‘. Und weil die Mönche viel Zeit haben, haben sie ausprobiert, wie man Sojaspeisen formen kann.“ Sie hätten mehr Menschen dazu bewegen wollen, kein Fleisch zu essen, ohne dass sie ihnen den Spaß am Essen verderben: „Das Auge isst schließlich mit, und Tofu sieht langweilig aus“, sagt die Vegetarierin.

Sie hat in Taiwan studiert und weiß daher: „Dort gibt es sehr viele vegane und vegetarische Restaurants, Sojaspeisen bekommt man in jedem Supermarkt.“ Durchschnittlich gebe es in jeder Familie mindestens eine Person, die sich vegetarisch oder vegan ernähre. In Deutschland müsse sich das nachgemachte Fleisch erst allmählich durchsetzen. Sie beobachtet: „Viel mehr Frauen als Männer essen in Deutschland vegetarisch.“ Deutsche Bioladen-Tofu-Würstchen würden anders schmecken, als das aus Taiwan importierte Soja-Alias-Fleisch, sagt Tu.

Das Restaurant bezieht seine Pseudo-Hühnchen-Keulen, bei denen ein Stück Zuckerrohr den Knochen ersetzt, direkt aus Taiwan. Fritiert sehen sie tatsächlich täuschend echt aus. Auch das Mundgefühl beim herzhaften Biss in den Hühnerschenkel auf Pflanzenbasis überzeugt: so gut wie echt.

Lo-Ping Tu lässt sich nicht in eine Schublade stecken, teils chinesisch, teils westlich und, wie sie sagt, mit größerer Gedankenfreiheit sozialisiert. Mit den Begriffen vegan und vegetarisch geht sie unbekümmert um: Sie nennt sich Vegetarierin, isst aber keinen Käse, könnte also auch Veganerin sein. Ihre Haltung zum Fleischessen ist jedenfalls undogmatisch: „Ich mag kein Fleisch, aber ich zwinge auch niemanden, ebenfalls kein Fleisch zu essen.“ Von veganer Ernährung für fleischfressende Tiere hält sie nichts: „Tiere sind so, die können nichts dazu. Ihnen kein Fleisch zu geben, halte ich für Quälerei.“ Ulrike Bendrat