Dauerverhör und Falschaussagen

Kurzzeitig festgenommene iranische Studentenführer berichten über ihre Untersuchungshaft. Spaltung im Lager der Konservativen zeichnet sich ab

BERLIN taz ■ Die vier Teheraner Studentenführer, die im Zusammenhang mit den landesweiten Studentenunruhen der letzten Wochen festgenommen wurden, haben nach ihrer Freilassung bei einem Treffen mit Parlamentspräsident Mehdi Karubi berichtet, dass sie während der 24-stündigen Untersuchungshaft die ganze Nacht neun Stunden ununterbrochen verhört worden sind. Man habe sie zu falschen Geständnissen und zur Weitergabe von Informationen zwingen wollen. Ihre Aussagen sollten die Behauptung der Konservativen bestätigen, dass führende Vertreter der Reformbewegung die Unruhen initiiert hätten.

Die Teheraner Justizbehörde reagierte auf diese Aussagen mit einer offiziellen Erklärung. Darin heißt es, die Studenten hätten den Islam beleidigt und, unterstützt von „Zionisten und USA“, versucht, an den Universitäten Unruhe zu stiften. Bereits wenige Stunden nach ihrer Festnahme hätten sie wichtige Geständnisse abgelegt, die aus Sicherheitsgründen vorerst nicht bekannt gegeben werden könnten. Die Öffentlichkeit werde jedoch nach Abschluss der Untersuchungen informiert werden.

Die studentische Nachrichtenagentur Isna berichtet unter Berufung auf einige Abgeordnete, das Parlament werde sich demnächst in einer nicht öffentlichen Sitzung mit den Vorfällen befassen. Ein Abgeordneter sagte, das Revolutionsgericht habe ursprünglich eine Namensliste von 21 Studenten zusammengestellt, die verhaftet werden sollten. Erst nach einer Intervention Präsident Chatamis habe es die Haftbefehle zurückgezogen.

Anlass der Proteste war das Todesurteil gegen den Professor Hashem Aghadjari, der in einem Vortrag die Konservative Geistlichkeit kritisiert hatte. Die Proteste, denen sich Abgeordnete und hunderte von Hochschullehrern anschlossen, zwangen Revolutionsführer Ali Chamenei zum Einlenken. Er wies die Justiz an, das Urteil zu überprüfen. Doch zum ersten Mal in der Geschichte der Islamischen Republik weigerte sich die Justiz, die Anordnung des Revolutionsführers zu befolgen. Niemand werde sich erlauben, sagte Justizchef Hashemi Shahrudi, das Urteil eines Richters zu schwächen, „geschweige denn, die ehrwürdige Justiz zu beleidigen.“ Die Staatsanwaltschaft fügte ergänzend hinzu, das Urteil sei rechtkräftig. Der Verurteilte habe jedoch das Recht, Widerspruch einzulegen.

Das aber wollte Aghadjari nicht, weil er den Prozess, der unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfand, nicht akzeptiert. Die Frist für den Widerspruch lief gestern ab. Bereits am Vortag hatte Aghadjaris Anwalt, Saleh Nikbacht, in eigener Verantwortung einen Revisionsantrag eingereicht. Wenige Stunden danach gab Hassan Said Abadi, Mitglied des Justizausschusses bekannt, dass Aghadjaris Akte an das oberste Gericht weitergeleitet worden sei. Es scheint, dass die Spaltung im Lager der Konservativen eingetreten ist. Die rechtsorientierte Tageszeitung Djomhiri Eslami, die als Sprachrohr des Revolutionsführers gilt, titelte gestern einen Leitartikel, in dem sie das Vorgehen scharf kritisierte, mit den Worten: „Die Einsamkeit des Revolutionsführers.“ BAHMAN NIRUMAND