Von 3. Welt lernen

Anschauungsunterricht auf Frauenkonferenz in Berlin. Was hier 52 Jahre dauerte, hat Kambodscha in 5 Jahren geschafft: ein Gewaltschutzgesetz

von HEIDE OESTREICH

Mu Sochua ist von Haus aus Campaignerin. Ausgebildet in Frankreich und den USA kam sie 1989 zurück nach Kambodscha, fand eine verwüstete Nation vor und fing an zu arbeiten. Heute steht im Lebenslauf der „Ministerin für Frauen und Veteranen“ schlicht: Gründerin der kambodschanischen Frauenbewegung.

1993, als die ersten Wahlen in Kambodscha stattfanden, initiierte Mu Sochua einen Marsch tausender Nonnen und Mönche für eine friedliche Wahl. Inzwischen wechselte sie in die Politik, aber die Kampagne geht weiter: Als erstes entwickelte sie einen Fünfjahresplan, in ihren Flyern steht eine „Vision“, eine „Mission“ und „Moving Forward!“. Und in der Tat: Nächste Woche soll das Parlament ihr Gesetz gegen Gewalt an Frauen verabschieden. Dieses propagiert sie in dieser Woche ausnahmsweise in Berlin, wo die Gesellschaft für technische Zusammenarbeit (GTZ) eine internationale Konferenz gegen Gewalt an Frauen ausrichtet.

Wenn man die lange und mühselige Debatte um Männergewalt und Frauenhäuser in Deutschland kennt, kann man auf junge Demokratien in Entwicklungsländern wie Kambodscha oder Indien nur staunend blicken. Brauchte die Bundesrepublik 52 Jahre für ein Gewaltschutzgesetz, so schaffte Mu Sochua es in Kambodscha in 5 Jahren. Frauenhäuser allein reichen ihr nicht. Sie konfrontierte Parlamentarier mit Gewaltopfern „face to face“, plant Sensibilisierungskampagnen für Polizisten und ermutigte Frauen, sich in Kommunalparlamente wählen zu lassen, mit Erfolg. Ein Viertel der RepräsentanInnen sind nun Frauen. In Indien haben sich die Kommunalparlamente sogar eine 30-Prozent-Quote verpasst.

Neu für die deutschen Teilnehmerinnen der Konferenz ist auch, dass ein Drittel der über hundert TeilnehmerInnen Männer sind: Politiker, Juristen, Rechtsberater, Mediziner. „Wir müssen die Eliten gewinnen“, ist die Erkenntnis, die sich auch die GTZ zu Eigen gemacht hat. „Wenn die GTZ Frauenhäuser in aller Welt einrichten würde, wir würden nicht ein Jota bewegen“, so Cornelia Richter, die die Tagung konzipierte. Stattdessen arbeitet die Entwicklungsorganisation auf allen Ebenen – und kommt dem Ansatz von Kampagneras wie Mu Sochua entgegen. Als Indien etwa die 30-Prozent-Quote einrichtete, bot die Organisation „Befähigungskurse“ für Frauen an, die keine politische Erfahrung hatten – auch in dieser Hinsicht ist Deutschland ein Entwicklungsland wie alle anderen.