Hartes Kriegsrecht im Land der Roten Kobra

Im Herrschaftsgebiet der Rebellen in der Elfenbeinküste leiden die Menschen vor allem unter der Wirtschaftslage

BOUAKÉ taz ■ Die Fahrt über die Leraba-Brücke, die die Grenze zwischen Burkina Faso und der Elfenbeinküste bildet, ist wie die Zeitreise eines Westernfilms. Dies ist Rebellengebiet, und überall laufen Männer mit Waffen herum. Maschinenpistolen, Jagdgewehre, Kalaschinokows, Raketenwerfer – das Arsenal ist groß. Nicht alle Rebellensoldaten tragen Uniform, aber man erkennt sie daran, dass sie in Hochgeschwindigkeit herumfahren, in Militärwagen oder normalen Autos, die sie von Staatsbetrieben oder auch Privatpersonen beschlagnahmt haben.

Anstelle der Logos der Firmen, denen die Wagen gehört haben, prangen die Parolen der Rebellenbewegung „Patriotische Bewegung der Elfenbeinküste“, die die Nordhälfte des Landes kontrollieren: „MPCI oder nichts“, „MPCI bis zum Tod“. Oder die Namen der Rebellenkommandanten: „Herkules“, „Kosovo“, „Delta“ oder „Rote Kobra“. Die Rebellen sind in Hochspannung. Mit vorgehaltener Waffe werden an den Einfahrten in die Städte Autos durchsucht und Papiere geprüft. „Das sind die Befehle“, entschuldigt sich einer. „Wer nachlässig ist, ist bald ein toter Mann.“

Wer von einer Stadt zur anderen reist, muss den Passierschein jedesmal neu abstempeln lassen – in improvisierten Stabszentren, eingerichtet in früheren Gendarmerie- oder Verwaltungsbüros. Die klimatisierten Büros, in denen die Präfekten residieren, dienen den Rebellenchefs als Quartier. Der „CO“ (Chef des Opérations) unterschreibt Passierscheine und gibt Benzingutscheine aus, mit denen MPCI-Kämpfer gratis tanken dürfen.

Polizisten und Gendarmen gibt es hier keine mehr. Die Rebellen sind allmächtig. Sie führen sogar Gerichtsverfahren durch. Sie haben zwar die Gefängnistore geöffnet, aber Diebe werden nach ihrer Denunziation sofort erschossen. Ihre Wagen transportieren Kranke in die Kliniken der großen Städte. Als in der größten MPCI-Stadt Bouaké Plünderungen gemeldet wurden, bildete die Rebellion eine Kontrolltruppe, die auf Diebe in den eigenen Reihen Jagd macht.

Die Militärherrschaft stört die Zivilbevölkerung nicht. „Mit diesen Leuten fühlen wir uns sicher“, sagt ein Bewohner der Stadt Ferkessedougou. „Sie tun uns nichts.“ Probleme haben die Menschen eher damit, dass die Wirtschaft völlig am Boden liegt. Keine Waren oder Menschen können die Waffenstillstandslinie passieren, so dass die Metropole Abidjan, aus der alle Importgüter und alles Geld kommen, unerreichbar ist. Firmen, Geschäfte, Restaurants – alles ist zu. Die Märkte sind voll mit lokalen Produkten wie Reis und Gemüse. Aber es gibt keine Kunden, denn es gibt kein Geld: Die Banken und die öffentlichen Dienste sind seit Beginn der Rebellion geschlossen.

Ibrahim, ein Lehrer, klagt: „Bald beginnt der dritte Monat ohne Gehalt.“ Nur wenige wagen die Reise über die Waffenstillstandslinie, um in Abidjan an den Geldautomaten gehen zu können. Die Angst vor dem Gegner hält die Menschen zusammen. Alle haben gehört, wie regierungstreue Milizen nach ihrer Rückeroberung der Stadt Daloa im Oktober muslimische Nordivorer und Einwanderer jagten und über hundert Menschen töteten. „Die Kinder müssen den Krieg gewinnen“, meint Lastwagenfahrer Abdoulaye – mit den „Kindern“ meint er die jungen Rebellenkämpfer. „Sonst wird man uns die Kehle durchschneiden.“ BAGASSI KOURA