„Auf beiden Seiten wird taktiert“

Im nächsten Jahr müssen Beamte zwei Stunden mehr arbeiten. Die taz fragte die Betroffenen: Wer ist schuld? Der Senat oder die Gewerkschaften?

Was für eine Pleite: Berliner Landesbeamte müssen ab 20. Januar zwei Stunden mehr arbeiten. Ähnliches gilt für Lehrer. Das hat der Senat am Dienstag als einseitige Maßnahme beschlossen, um Personalkosten zu sparen. Seinen Vorschlag für eine 35-Stunden-Woche ohne Lohnausgleich hatten die Gewerkschaften im öffentlichen Dienst, an vorderster Stelle Ver.di, ausgeschlagen. Daraufhin platzten die Solidarpaktgespräche. Die taz traf Beamte, stellte die Schuldfrage und vor allem die Frage: „Was machen Sie nun mit der Zeit?“

„Im Grunde bin ich dankbar: Endlich haben wir die schriftliche Zusage, nur noch 42 Stunden arbeiten zu müssen. Im Ernst: Überstunden sind bei mir sowieso die Regel. Dass ich nun zwei Stunden weniger abbauen kann, stört mich nicht. Sparen erfordert Solidarität. Ich habe eigentlich nichts dagegen, meinen Teil beizutragen. Aber dann sollte endlich auch die negative Kampagne gegen Beamten aufhören. Plötzlich sind wir schuld, dass es Berlin schlecht geht. Zu allem Überfluss muss man nun denunzierende Äußerungen von Senatoren lesen über stinkende und schwitzende Beamte.“

Marion Hintermair, Beamtin in einer Personalabteilung

„Immer werden die Gewerkschaften als die Schuldigen hingestellt. Für mich waren das keine Verhandlungen, was da geführt wurde, darunter verstehe ich die Suche nach Kompromissen. Der Senat war doch gar nicht bereit, von seinen Maximalforderungen abzugehen. Übrigens wurde uns Lehrern nie eine Arbeitszeitverkürzungen angeboten, wir sollten nur auf Geld verzichten.“ Christina Kunze,Lehrerin

„Zwei Stunden mehr Unterricht pro Woche bedeuten effektiv eine Woche Arbeit mehr pro Jahr. Da kommt einiges zusammen. Was deshalb droht, ist eine Qualitätsverschlechterung des Unterrichts. Dann schiebt man eben einfach mal ein Video rein.“

Wolfgang Gehlen, Lehrer

„Ich bin im Moment zu keinerlei Verzicht bereit. Da gehe ich mit den Gewerkschaften völlig konform. Ich war schon oft genug Sparschwein und sehe nicht ein, warum immer gerade der öffentliche Dienst sparen muss. Wenn ich mehr arbeiten muss, nimmt mein Engagement ab: Das, was ich vorher freiwillig zusätzlich für die Schüler gemacht habe, werde ich dann nicht mehr schaffen.“ Peter Siegler-Jansson,Berufsschullehrer

„Die Gewerkschaften hätten weiterverhandeln sollen. Mich ärgert, dass sie das Angebot vom Senat einfach so abgelehnt haben. Sie hätten die Arbeitnehmer noch mal nach deren Meinung fragen sollen. Ich hätte auf jeden Fall lieber weniger gearbeitet und etwas weniger verdient, als jetzt zwei Stunden mehr machen zu müssen.“ Sylvia Lambert*, Finanzbeamtin

„Ich beende heute mein Referendariat. Um 15 Uhr bekomme ich die Urkunde für das Zweite Staatsexamen ausgehändigt, dann bin ich arbeitslos. Die Haltung der Gewerkschaften bei den Verhandlungen sehe ich daher ambivalent. Die Idee, dass ältere Kollegen auf ihr Weihnachts- und Urlaubsgeld verzichten, um dafür jüngere einstellen zu können, ist verlockend. Aber ich verstehe auch den Protest. Das ist eine deprimierende Situation.“

Daniéla Meyr, Sonderschulpädagogin

„Auf beiden Seiten wird taktiert: Wenn der Senat die Arbeitszeit erhöht, dient das als Druckmittel gegenüber den Gewerkschaften. Die tun natürlich auch, was sie können, um nicht klein beigeben zu müssen. Ich fühle mich eigentlich von ihnen ganz gut vertreten. Als Familienvater mit zwei Kindern kann ich auf keinen Fall auf Geld verzichten, dann muss ich eben notgedrungen mehr arbeiten.“

Herbert Schulze*, Finanzbeamter, Mitglied der Deutschen Steuergewerkschaft

„Der Senat hat das Scheitern der Verhandlungen verursacht und gewollt. Dennoch haben die Gewerkschaften insgesamt zu wenig Vorschläge gemacht und zu wenig Entgegenkommen gezeigt. Insofern haben beide versagt. Der Arbeitnehmer muss das jetzt ausbaden und länger arbeiten. Ich glaube aber nicht, dass sich durch diese Maßnahmen langfristig etwas verbessert. Dazu braucht es eine umfassende Verwaltungsreform.“ Harald Brenner*,Finanzbeamter

„Ver.di hat versagt. Die Gewerkschaften waren zu kompromisslos in ihren Forderungen. Allerdings kann ich unmöglich mit weniger Gehalt auskommen. Ich habe ein kleines Kind und eine Frau mit einem unsicheren Job. Jetzt muss ich eben die Arbeitszeitverlängerung hinnehmen.“

Rainer Mehlis*, Finanzbeamter

„Einen großen Anteil an der Misere hat die Bankgesellschaft. Wenn man die Milliarden Euro, die der Senat in die Bank gesteckt hat, in Bildung investieren würde, könnten die Schulen ganz anders aussehen. Dass die Gewerkschaften Lohnkürzungen und die Aushebelung von bundesweit geltenden Tarifverträgen ablehnen, ist verständlich. Ich finde, der Senat hätte sich um ernstere Verhandlungen bemühen müssen.“ Simone Schneider, Lehrerin

„Mich ärgert extrem, dass die Nachwuchsförderung nun gegen null gehen wird. Wenn ich morgen sagen würde, ich gehe vorzeitig in den Ruhestand, sagt sich die Personalabteilung: Prima, wieder eine Stelle gespart. Und wo bleiben die Aufgaben? Auf der Strecke. Rein rechnerisches Sparen funktioniert vielleicht im Schichtdienst. In der Gesundheitsverwaltung kann man Fachwissensgebiete nicht in Pakete von ‚21 mal 2 Stunden mehr, und eine Stelle fällt weg‘ teilen. Besonders enttäuscht bin ich, dass der Innensenator und der Regierende Bürgermeister einfach zugucken, wie der öffentliche Dienst mit Schmutz beworfen wird.“ Rainer Hinze, Beamterin der Senatsverwaltung fürGesundheit

Berlin ist mit seinen Finanzen am Ende. Woran das liegt, ist jetzt auch egal. Natürlich würde ich lieber 35 Stunden arbeiten und mehr Gehalt bekommen. Aber wenn es sein muss, arbeite ich auch 42 Stunden. Die Beamten müssen zur Konsolidierung des Haushalts auch ihren Beitrag leisten. Heutzutage kann man schließlich froh sein, dass man überhaupt noch einen Job hat. Von der Gewerkschaft, die immer nur stur ‚Zuwachs, Zuwachs‘ fordert, fühle ich mich schon lange nicht mehr vertreten.

Klaus Pfeffer*, Polizeioberrat

Die 42-Stunden-Lösung ist absolut kontraproduktiv, weil die Polizei frisches Blut braucht und auf absehbare Zeit keine jungen Leute mehr einstellen kann. Daran, dass es so gekommen ist, hat die Gewerkschaft ein gut Teil Mitschuld. Sie hat sich auf ihre Maximalforderungen versteift, statt intelligente Lösungskonzepte vorzulegen.

Detlef Hundert*, Polizeihauptkommissar

PROTOKOLLE: GRO, BK, SL, ROT, PLU

* Name geändert