Strucks teilnahmslose Beteiligung

Eigentlich wollte Verteidigungsminister Struck die problematische Informationspolitik seines Vorgängers nicht übernehmen. Nun aber heißt es wieder, jedes Wort auf die Goldwaage zu legen. Forderten die USA „Patriots“ oder nur „Raketen“ an?

von BETTINA GAUS

Ein Krieg gegen den Irak könnte von deutschem Boden ausgehen und mit Hilfe deutscher Waffen geführt werden – und dennoch würde die Bundesregierung wohl weiterhin behaupten, sie bliebe konsequent bei ihrer Ablehnung einer deutschen Beteiligung an einem Angriff auf den Irak. Bisher sieht es nämlich so aus, als ob die USA von Berlin für den Fall eines Krieges lediglich indirekte Unterstützung erbitten. Was unter anderem auch bedeutet: Der Bundestag hätte bei alldem kein Wort mitzureden.

Es empfiehlt sich gegenwärtig offenbar, jede in diesem Zusammenhang geäußerte Silbe eines deutschen Regierungsmitglieds auf die Goldwaage zu legen. Das bislang eindrucksvollste Beispiel dafür lieferte Verteidigungsminister Peter Struck: Er betonte in den letzten Tagen mehrfach, dass die USA keine deutschen Flugabwehrraketen vom Typ „Patriot“ angefordert haben. Im wörtlichen Sinne mag das korrekt sein. Allerdings nur im wörtlichen Sinne.

Fest steht: Israel hat Deutschland um die Bereitstellung von Raketen des Typs „Patriot“ gebeten. Widersprüchliche Angaben gibt es hinsichtlich des Zeitpunkts dieser Anfrage, unklar ist außerdem die Größenordnung einer möglichen Lieferung. Alles spricht bislang dafür, dass nur das Waffensystem angefordert worden ist – nicht aber Soldaten, die das Gerät bedienen. Deshalb könnte der Bundessicherheitsrat in eigener Regie über die Bitte entscheiden und müsste nicht das Parlament befragen.

Die USA sollen sich angeblich der Bitte Israels angeschlossen haben, ohne jedoch die „Patriot“ in ihrer eigenen Wunschliste beim Namen genannt zu haben. Sollte das zutreffen, dann hätte Struck – formal – die Wahrheit gesagt. Kleiner Schönheitsfehler: Die „Patriot“ ist zwar nicht die einzige Luftabwehrrakete, über die die Bundeswehr verfügt, wohl aber die einzige, die modern genug ist, um für andere Staaten von Interesse zu sein.

Eine Luftabwehrrakete ist eine defensive Waffe. Es ist nicht vorstellbar, dass ausgerechnet Deutschland ausgerechnet Israel militärisches Gerät verweigert, das für die Landesverteidigung erforderlich ist. Die einzige Möglichkeit: Verzögerung. Zumal gegenwärtig ein Irakkrieg das einzig realistisch erscheinende Szenario ist, das den Einsatz einer „Patriot“ von Israel aus erforderlich machen könnte. Zu jedem Krieg gehört jedoch die Verteidigung ebenso wie der Angriff.

Der genaue Inhalt der US-Wunschliste an die Adresse Berlins für den Fall einer Militäroperation gegen den Irak ist bislang nicht bekannt. Verteidigungsminister Struck will heute die Vorsitzenden der Bundestagsfraktionen über Einzelheiten der Anforderungen aus Washington informieren. Was bereits bisher durchgesickert ist, kann nicht wirklich überraschen: Die Vereinigten Staaten wollen offenbar ihre Basen in Deutschland sowie den deutschen Luftraum für eine mögliche Operation nutzen. Fachleute hatten daran nie gezweifelt. Dennoch war es den Regierungsparteien gelungen, dieses spezifische Thema aus dem deutschen Wahlkampf weitgehend herauszuhalten.

Dem Vernehmen nach fordert Washington darüber hinaus den Schutz von US-Einrichtungen. In diesem Zusammenhang könnte der Einsatz von deutschen Spürpanzern in Kuwait ein besonderes Problem darstellen: Offiziell sind diese Panzer im Zusammenhang mit dem Mandat „Enduring Freedom“ entsandt worden, das der Terrorismusbekämpfung dienen soll. Die Bundeswehrsoldaten vor Ort sollen vor allem US-Einrichtungen vor ABC-Angriffen schützen. Das Problem: Gegenwärtig wären sie dazu nur in begrenztem Umfang in der Lage. Nach dem Aufbau des Kontingents und militärischen Übungen im Frühjahr ist die Zahl der deutschen Militärs dramatisch reduziert worden: Von ursprünglich mehr als 250 Bundeswehrsoldaten befinden sich mittlerweile nur noch etwa 50 vor Ort, die überwiegend mit der Wartung des Geräts beschäftigt sind. Ihre jetzige Personalstärke reicht zwar aus, um Giftstoffe aufzuspüren, nicht aber, um verseuchte Gebäude zu dekontaminieren. Soll heißen: Sie befinden sich offenbar im Wartestand. Worauf warten sie?