Brandbekämpfer gegen Ängste

Freiwillige Feuerwehrleute in Lilienthal machten Supervision zur Extra-Übung, Ängste bei Einsätzen und den Umgang mit psychischen Belastungen zum Thema – Sie besprachen und probten den Ernstfall in Gesprächen und Rollenspielen

Grasberg, nachmittags, das Altenpflegeheim brennt. Um 16 Uhr erreicht die Freiwillige Feuerwehr den Einsatzort. Ferdinand Stelljes, örtlicher Brandbekämpfer, erinnert sich: „Die alten Leute waren zum Teil geistig verwirrt und wussten nicht, was los war. Wir führten sie an der Hand zum 150 Meter entfernten Nachbarhaus.“ Wer nicht laufen konnte, wurde im Bett dorthin gerollt, Bettlägerige mit Atemschutz herausgeholt.

Glimpflich ging es damals ab, alle wurden gerettet. Doch nicht Betroffenen, auch Feuerwehrleuten bleiben Bilder wie diese im Kopf hängen. Einige fühlten sich dort an ein Kriegsszenario erinnert. „Psychische Belastungen bei Einsätzen sind ein Thema“, sagt Ortsbrandmeister Andreas Hensel von der Freiwilligen Feuerwehr in Lilienthal.

Mit sieben Kollegen stellte ersich der Problematik mit Hilfe der Supervisorin Ulrike Besenthal-Falta. Die zehn Sitzungen in den Jahren 2000 und 2001 waren ein Erfolg: „Man lernt, besser mit psychisch heiklen Situtationen umzugehen, achtet mehr auf sich und die Kollegen“, sagt Hensel. Gespräche über Erlebtes waren eine wichtige Erfahrung für die Beteiligten. Sich und KollegInnen in diesem klassischen Männerberuf Ängste eingestehen – für viele ein Problem.

„Berufsfeuerwehren verdrängen das eher“, berichtet Hensel. Doch bei den an dem Projekt beteiligten hat ein Wandel stattgefunden. „Was überwiegend als Schwäche ausgelegt wird, ist in Wahrheit eine Stärke“, hat nicht nur Andreas Hensel erkannt. Nämlich das Zugeben von Angst als menschlichem Gefühl. Gesprächsrunden der Supervision bleiben stets vertraulich, alle TeilnehmerInnen sind gleichberechtigt. „Das Loslösen eingeübter beruflicher Rollen klappt wegen der üblichen hierarchischen Strukturen nur bedingt“, weiß Besenthal-Falta. Bei den Lilienthalern aber habe das funktioniert. Die Männer selbst waren überrascht, wie offen es dabei zuging. Auffällig für Hensel: „Es waren vor allem junge Männer, die dazu bereit waren. Zwingen kann man zu dieser besonderen Übung eh niemanden.“

Eine weitere Methode der Supervision ist das Rollenspiel. So war es für die Feuerwehrleute eine wichtige Erfahrung, sich in andere hineinzuversetzen, um deren Verhaltensweisen besser zu verstehen. Auch das eigene Verhalten wurde hinterfragt. „In einem Rollenspiel hat ein Kollege einen Schaulustigen simuliert und einen Einsatz behindert“, so Hensel. „Für die anderen eine gute Übung, um im Ernstfall mit Zusatzbelastungen fertig zu werden und Gaffern gegenüber energisch zu bleiben.“ Selbstreflexion sei wichtig, um die Zusammenarbeit im Team zu verbessern. Dabei sei es sowohl um das Verhältnis zwischen Feuerwehr und Betroffenen als auch der BrandbekämpferInnen untereinander gegangen. Die Feuerwehrleute nutzten die Supervision vor- und nachsorglich: vorsorglich als mentale Prävention für zukünftige Einsätze. Nachsorglich, weil konkrete Fälle die Aufhänger für die Sitzungen waren. Andreas Hensel empfielt diese spezielle Feuerwehrübung seinen KollegInnen zur Nachahmung. Lutz Steinbrück